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Traumkristalle

Traumkristalle

Titel: Traumkristalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
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kannst du längst wieder hier sein.“
    Der Mann stopfte sich eine Pfeife und schwieg.
    „Der Flischke war auch wieder hier“, begann die Frau aufs neue. „Ich glaube, er war angetrunken, er schimpfte. Und hinten am Busch wartete der braune Michel auf ihn. Die Kerle haben was vor. Er wollte dir’s eintränken, sagte der Flischke, du hättest ihn aus dem Dienst gebracht. Auf deiner Strecke könnt’ auch mal was passieren.“
    „Es ist nicht wahr, daß ich ihn angezeigt hab’, aber er hat nie richtig seinen Dienst getan. Du siehst, nun kann ich schon recht nicht fort, wenn die schlechten Kerle in der Gegend lungern. Daß sie den Michel wieder herausgelassen haben, ist ein wahres Unglück.“
    „Es kann ja nichts passieren. Du bist wieder da, um deine Strecke abzugehen, mehr kannst du nicht tun. Und nun mußt du erst recht zum Schrobeck. Wenn du die Nägel hast, kann dir der Flischke nichts anhaben, und der Otto kommt morgen glücklich nach Hause. Tu’s doch, Paul, tu’s dem Otto zuliebe!“
    „’s ist ja doch Unsinn“, brummte der Mann in den Bart. Aber er sagte es nicht mehr laut.
    Mit Ungewissem Dämmerschein lag das Mondlicht über der Hügellandschaft ausgebreitet, die Ebene im Norden verlor sich in nebliger Ferne. Kein Lüftchen regte sich; hin und wieder ein schwaches Wetterleuchten durch die Julinacht.
    Silberne Punkte glänzten auf den Efeublättern, die sich um die verfallenen Mauern der Ruine Schrobeck rankten, undurchdringliche Schatten schoben sich zwischen lichte Streifen. Deutlich und klar hob sich die voll beleuchtete Seite des alten Turms ab; nur die Türöffnung gähnte schwarz darin, ein finsterer Eingang in geheimnisvolle Nacht.
    Der Bahnwärter stieg schwerfällig über die wankenden Steinstufen des ehemaligen Burghofs. Atemschöpfend lehnte er sich an die Mauer und richtete seine Blicke auf die Öffnung des Turmes. Ein paar Fledermäuse schossen hin und her, sonst kein Laut. Der Mann an der Mauer verharrte lange unbeweglich. Doch jetzt fuhr er erschrocken empor. Aus dem Turm klang ein vernehmbares Poltern, als stürzten Steine herab – ein Schwärm Fledermäuse flog aus der Öffnung – dann wieder blieb es still. Der Wärter raffte sich zusammen und schritt langsam der Tür des Turmes zu. Er fühlte sein Herz schlagen, er wagte nicht, in den Turm zu blicken, als er sein Tuch vor der Tür ausbreitete und dreimal mit einem Stein an die Mauer pochte. Dann ging er langsam rückwärts. Seine Tritte knirschten auf den Kalktrümmern des Bodens, es war ihm, als antwortete ein gleiches Knirschen aus dem Turm. Er zählte halblaut seine Schritte; jetzt blieb er stehen und rief schnell, als wollte er ein ferneres Schwanken selbst abschneiden: „Drei und frei!“
    Dumpf hallte der Ton von der Mauer nach. Sonst blieb alles stumm. Nach einer Weile rief er zum zweiten Male. Wieder kein Laut. – Er schüttelte den Kopf über sich selbst – wenn ihn jemand hörte, er mußte zum Gespött werden. Aber wer konnte ihn hier hören? Er dachte an seine Frau, an seinen Sohn, sah fest auf die Turmtür und rief laut zum dritten Male:
    „Drei und frei!“
    In demselben Augenblick prallte er in furchtbarem Schreck zurück und hielt sich krampfhaft mit den Händen an einem Mauerrest. Die Stille der Nacht unterbrach ein gewaltiges Krachen, eine weiße Wolke erhob sich aus der Tür des Turmes und schwankte gespenstisch im Mondenlicht, und in der Öffnung erschien hell beleuchtet eine graue, zwerghafte Gestalt. Dem Wärter stockte der Atem, er brachte kein Wort aus der Kehle, – nein, er täuschte sich nicht – deutlich erkannte er über dem grauen Mantel der kleinen Gestalt das Gesicht mit dem weißen Barte, den Kopf bedeckte eine graue Kapuze. Der Mann und der Zwerg standen sich ohne Bewegung gegenüber – da erhob der Zwerg langsam den rechten Arm, drei blitzende Gegenstände fielen auf das Tuch und im nächsten Augenblick war die Erscheinung verschwunden.
    Schweigen ringsum – die Wolke hatte sich verzogen, die Türöffnung gähnte leer und finster wie zuvor.
    Einen Augenblick dachte der Wärter, es ist ein Traum – er ermannte sich und schritt auf das Tuch zu – er sah es darauf glänzen im Mondlicht – das Blut schoß ihm in den Kopf, eine furchtbare Angst ergriff ihn – er wußte nicht mehr, was er tat – er raffte das Tuch zusammen und stürzte fort. Die Steine polterten um ihn bergab, er floh weglos, durch den Wald, bis er den Fuß des Hügels erreicht hatte – da sank er erschöpft auf ein

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