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Traumkristalle

Traumkristalle

Titel: Traumkristalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
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gleich in der ersten Frage der Unterredung gestellt werden. Man mag über diese Form verschiedener Meinung sein, aber es war so. Ein uns gegenwärtig wunderlich erscheinender Gebrauch war auch der, daß man jedesmal mit dem Finger auf die angeredete Person zeigte, sie hätte sonst die Worte nicht auf sich bezogen.
    Atom zeigte also mit dem Finger auf Lyrika und sagte:
    „Wollen Sie mich heiraten?“
    „Nein“, entgegnete Lyrika und zeigte auf Atom; das war in Ordnung.
    „Warum nicht?“ fragte nun Atom. Das hatte er nicht nötig, aber wenn ihm Lyrika antwortete, so war es gut.
    „Weil mein Herz einem anderen gehört.“
    „Ihr Herz? Ist dieser Muskel bei Ihnen das Organ der Gefühle? Doch ich weiß, Sie lieben altertümliche Ausdrucksweisen.“
    „Ihre Bitterkeit ist mir ein Beweis Ihres Ärgers“, sagte Lyrika, „und das tut mir leid, denn ich habe keine Veranlassung, Sie betrüben zu wollen.“
    „Ich ärgere mich nie“, unterbrach sie Atom. „Ich beherrsche meine Reflexbewegungen und suche mein Ziel durch Überlegung zu erreichen.“
    „Es mag praktisch sein, ist aber nicht nach meinem Geschmack“, bemerkte Lyrika.
    „Ich bedauere meine Mangelhaftigkeit. Aber wem gehört denn Ihr Herz?“ fragte Atom.
    „Darüber brauchte ich Ihnen, wie Sie wissen, keine Rechenschaft zu geben; jedoch will ich ganz offen sein und Ihre Vermutung bestätigen.“
    „Kotyledo?“
    „Ja!“
    „Ich danke Ihnen. Aber er wird nie der Ihre werden.“
    „Ich weiß es.“
    „Sie wissen auch warum?“
    „Ja.“
    „Und trotzdem …“
    „Trotzdem.“
    „Und Sie werden Ihre Meinung nie ändern?“
    „Niemals!“
    „Sie sind offen, Lyrika. Ich weiß nun, was ich zu tun habe.“
    „Und wollen Sie nun auch mir eine Frage ebenso offen beantworten, Atom?“
    „Fragen Sie.“
    „Ist es unmöglich, daß sich Funktionata irrt?“
    „Unmöglich.“
    „Ich meine nicht, daß ihre Rechnung falsch sei; aber könnte nicht in den Voraussetzungen, im Ansatz ein Irrtum vorgekommen sein? Wie ist es möglich, alle die Bedingungen, welche den Lebensprozeß eines Menschen erhalten, in ihrer Mannigfaltigkeit zu erkennen, all die Wechselbeziehungen richtig in Rechnung zu ziehen?“
    „Ich will es Ihnen sagen. Im allgemeinen ist diese Aufgabe so schwierig, daß sie heute noch nicht gelöst zu werden vermag. Es gibt aber spezielle Fälle, in denen sich die Aufstellung der Gleichungen so vereinfacht, daß sie ohne Schwierigkeit geschehen kann. Zu diesen Fällen gehört der Ihrige.“
    „Und warum?“
    „Es ist notwendig, um alle Beziehungen zwischen zwei Personen der Rechnung unterwerfen zu können, bis zu jenem Punkte zurückzugehen, welcher den gemeinschaftlichen Ursprung für beide enthält. Wenn es möglich ist, das Schicksal desjenigen Paares zu bestimmen, von welchem beide abstammen, ist die Aufgabe lösbar. Bei Ihnen ist dies der Fall, da die gemeinschaftliche Wurzel Ihres Stammbaumes in eine Zeit fällt, von welcher an genaue Aufzeichnungen durch die Standesregister und öffentlichen Listen bekannt sind. Diese Zeit reicht bis ins neunzehnte Jahrhundert hinab, und in jener Zeit lebten Ihre gemeinschaftlichen Eltern. Ihr Stammvater hieß Schulze und wohnte als Privatmann in der Hauptstadt des damaligen Deutschlands, Berlin. Dies hat Funktionata leicht erfahren können. Zufällig kennt man aber auch sein näheres Schicksal. Es fand im Jahre achtzehnhundertsechsundsiebzig eine sogenannte Weltausstellung in einer amerikanischen Stadt namens Philadelphia statt. Schulze hatte sich dahin begeben; auf der Rückfahrt verschwand das Schiff, auf dem er sich befand, und man muß annehmen, daß er mit demselben im Ozean begraben liegt. Dieser Umstand ermöglichte die Aufstellung der Differential-Gleichungen, bei denen nun ganze Reihen von Gliedern null werden; und somit kennen wir Ihr Schicksal. Doch sollten Sie überlegen …“
    „Ich danke Ihnen“, unterbrach ihn Lyrika. „Auch ich weiß, was ich zu tun habe.“
    „Und ich werde …“
    Atom sprach nicht zu Ende.
    Funktionata, Propion und mit ihnen Kotyledo schwebten zum Fenster herein. Sie hatten, am Ufer des Meeres luftfliegend, Kotyledo bemerkt, der von seinem Ausflug mit Strudel zurückkam. Trotz seines Sträubens nötigten sie ihn, bei ihnen vorzusprechen – vielleicht war auch sein Sträuben nur ein scheinbares, da ihn seine Sehnsucht doch wieder in Lyrikas Nähe trieb.
    Die fünf Personen begrüßten sich nicht ohne eine gewisse Verlegenheit, die jedoch bald vorüberging,

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