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Traumkristalle

Traumkristalle

Titel: Traumkristalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
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Medizin!“
    „Und ich möchte noch weitergehen. Ich hoffe, auch die Knochen durchsichtig machen und ihnen die Brechbarkeit der Luft geben zu können. Wenn man dann erst ein Mittel hat, das Diaphot wieder aus dem Körper zu entfernen, so kann man sich ohne Gefahr völlig unsichtbar machen. Es ist aber vorläufig ein gefährliches Experiment, und seine Folgen müssen erst näher untersucht werden. Ich möchte daher auch diese letzte Konsequenz womöglich geheimhalten.“
    „Das ist richtig“, meinte Propion, „aber es ist nicht Sitte. Doch wir werden ja sehen.“
    „Nicht sehen vielmehr.“ Atom lachte. „Nun, ich hoffe, morgen schon mehr zu wissen.“
    Wohlgelaunt näherten sie sich indes mit großer Geschwindigkeit der Wohnung Propions.
    Im Wohnzimmer, einem hohen und geräumigen Saale, der in weiten, bis zum Fußboden reichenden Bogenfenstern nach dem Hofe sich öffnete, saßen Funktionata, die Gemahlin Propions, und ihre Freundin Lyrika, die wohlbekannte Psychistin. Die großen Scheiben von klarem, biegsamem Chresim, welche bei kühlem Wetter die Fenster luftdicht schlossen, waren aufgerollt und öffneten der milden Sommerluft den Weg ins Zimmer.
    Lyrika blickte in den Hof hinaus, welcher von einer Reihe in phantastischen Formen wogenden Lichtwolken begrenzt war; es waren verdünnte, in biegsamen, durchsichtigen Chresimröhren strömende Gase, die im prächtigsten Farbenspiel im Feuer des elektrischen Funkens glühten und eine gewöhnliche Zierde der an die Stelle der Gärten getretenen Höfe und öffentlichen Plätze bildeten. Neben Lyrika saß Funktionata und arbeitete mit Muße an der Integrationsmaschine. Funktionata war nämlich Mathematikerin; die Arbeiten der größten Meister hatten es dahin gebracht, daß ungeheure Rechnungen, welche sonst das Leben eines einzelnen ausgefüllt hätten, durch die Integrationsmaschine in wenigen Stunden und ohne jede Anstrengung des Denkens ausgeführt werden konnten. Die Methode der symbolischen Bezeichnung gestattete, die Arbeit zu einer mechanischen zu machen und jedes beliebige System von Differentialgleichungen durch komplizierte Kombinationen des Maschinenwerks zu lösen, so daß die gesamte geistige Kraft des Forschers auf die Aufstellung der Probleme, ihre Darstellung in mathematischer Sprache und die Deutung der Integrale, unterstützt durch vorzügliche Tabellenwerke, verwandt werden konnte.
    Jetzt unterbrach Funktionata ihre mathematische Handarbeit und folgte mit ihrem Auge den Blicken Lyrikas, welche Funktionatas dreijährigem Knaben Selen zusah. Dieser sollte, wie wir wissen, von morgen an die Hirnschule besuchen und machte jetzt unter Leitung eines Fliegmeisters seine Fliegübungen vor dem Fenster. Der Lehrer hielt den Kleinen an der Leine und lehrte ihn die Geschwindigkeit seiner Schraube regeln und Wendungen nach rechts und links, oben und unten ausführen.
    Die glückliche Mutter lächelte, während sie die gewandten Bewegungen ihres kleinen Selen mit Interesse verfolgte, und zärtlich drückte sie die Hand Lyrikas, die jetzt wieder traurig und fast teilnahmslos in die Ferne starrte. Die schönen Verse ihres Lieblingsdichters, eines der modernsten Lyriker, welcher die zeitgemäße Staffage der Natur an Stelle des veralteten Blütenduftes und Waldesrauschens zu setzen verstand, kamen ihr in den Sinn:
     
    Der Netzhaut Stäbchenscharen
    Erbeben in leisem Schwang –
    Ob in die Kapillaren
    Das Blut nur stärker drang?
     
    Was will dein sanftes Wallen,
    Zart glühendes Hydrogen?
    Ach, seine Schrauben hallen
    Nicht mehr bei deinem Wehn. {5}
     
    So sang sie leise vor sich hin.
    „Lyrika, sei mir nicht böse, liebe Lyrika“, erweckte Funktionata sie aus ihren Träumen.
    „Ich mußte offen zu dir sein. Kotyledos Untergang ist unvermeidlich, die Formeln sprechen unwiderlegbar. Hier sind meine Rechnungen, ich stelle sie dir zur Verfügung, prüfe sie selbst.
    Sieh, dieser ganze Ausdruck wird imaginär; und hier die Zahlenbestimmung: in 623,7 Tagen zerfällt der Molekularkomplex C in der Rindenschicht des Gehirns Kotyledos.
    Es ist kein Zweifel.“
    „Laß mich, Funktia!“ erwiderte Lyrika.
    „Deine Rechnung will ich nicht sehen; du weißt recht gut, daß es nur wenige gibt, die sie zu verstehen imstande sind, und ich am wenigsten; was ich als Kind davon gelernt habe, ist zum größten Teil vergessen.
    Ich glaube dir; ich muß dir ja glauben. Aber es ist entsetzlich; armer Kotyledo – erst jetzt fühle ich, wie wert er mir war.“
    „Aber du wirst

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