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Traumkristalle

Traumkristalle

Titel: Traumkristalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
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ihren Fingern an den zu bereitenden Speisen – im Moment, wo man sich zu den Augen der Gäste die Gerichte, welche im Augenblicke gar zum Genüsse waren, und unendlich mannigfaltiger wurden die Kombinationen der geschmackvollen Ingredienzien.
    „Heute habe ich dir etwas Besonderes mitgebracht, liebe Funktionata“, sagte Propion; „es ist ein neuer Versuch zu einem Gewürz, das, wie ich glaube, großes Aufsehen machen wird. Ihr sollt es zuerst kosten.“
    Alle fanden den Geschmack unbeschreiblich erfrischend und anmutig, selbst Lyrika fühlte sich zu einem Lobe veranlaßt, und der kleine Selen konnte nicht genug bekommen. Atom schlug vor, das neue Gewürz Lyrizin zu nennen, aber Lyrika dankte für die Ehre.
    Da flog ein Papierstreifen durch das Fenster. Ein vorüberfliegender Kolporteur hatte die neue Stundenzeitung hereingeworfen.
    „Schon vier Uhr?“ fragte Funktionata. „Gib her“, sagte sie zu Selen, der das Blatt aufhob, „ich will euch mitteilen, was seit drei Uhr Neues passiert ist.“
    Sie legte ihr Saugrohr fort und las:
    „Die Versuche, mit den Bewohnern des Mars in Verbindung zu treten, sind wieder kräftig in Angriff genommen worden. Man hofft, durch Anwendung der Zirkular-Ätherströme zum Resultat zu kommen. Der Bau der Marsbewohner ist bekanntlich siebenstrahlig, über die Organisation ihrer Sinne ist man jedoch noch nicht im klaren, und es wird sehr wahrscheinlich, daß, wenn sie überhaupt eine Raumanschauung haben, dieselbe eine solche von sieben Dimensionen ist. Dies dürfte allerdings die Verständigung bedeutend erschweren. Ein anderes Projekt von größter Bedeutung mußte leider wieder aufgegeben werden. Es handelt sich um Begründung einer Aktien-Gesellschaft zur Ausbeutung der auf dem Monde entdeckten Goldlager. Doch stellte es sich als vorläufig unmöglich heraus, den Transport zur Erde ohne Gefährdung der Bewohner derselben zu ermöglichen, da die Bahn der zu befördernden Goldstufen sich nicht genau genug regulieren läßt. Das Unternehmen muß also ruhen, bis es gelungen ist, das Geheimnis wiederzufinden, das der sagenhafte Tausendkünstler Warm-Blasius im 24. Jahrhundert besessen haben soll, nämlich frei von der Gravitation durch den Weltraum zu fliegen.“
    „Die Redaktion der ‚Himmlischen Wespen’ macht hierzu die Bemerkung, daß trotz der auf dem Monde so geringen Schwerkraft die Fallgeschwindigkeit der Aktien alle Erwartung übertroffen habe.“
    „ St. Gotthard. Die Ausgrabungen im alten Tunnel werden fortgesetzt und brachten eine reiche Anzahl interessanter Gegenstände zum Vorschein, darunter eine Reihe jener kolossalen Trinkgefäße, welche die alten Deutschen Seidel nannten. Das Merkwürdige aber sind wohl die alten Zeitungen, wahre Ungeheuer von mehreren Quadratmetern Papierfläche, eng bedruckt, deutsch, englisch, französisch, italienisch. Wenn man aber die alten Sprachen zu entziffern sucht, so zeigt sich, daß eigentlich nichts darin steht, nichts von Wichtigkeit. Und das las man damals. Man fand ferner zwei eigentümliche Urnen, innen mit noch gut erhaltener Seide gefüttert; der Zweck ist dunkel. Der berühmte Antiquar Schimmel behauptet, es seien Kopfbedeckungen! Möglich ist es – was war damals nicht möglich! Zu einer Zeit, wo man schlau genug war, die Verstorbenen in die Erde zu scharren, um das Trinkwasser zu verbessern!“
    Funktionata brach hier ab. Die Mahlzeit war beendet.
    Da Propion und Funktionata das Zimmer verließen, glaubte Atom Gelegenheit zu finden, eine Unterredung mit Lyrika, vielleicht eine Verständigung mit ihr zu erlangen. Schon oft hatte er diesen Augenblick herbeigesehnt, welchem Lyrika bis jetzt noch immer sich zu entziehen wußte.
    Seine Schwester Funktionata war Lyrikas vertraute Freundin; aber es war ihm nicht gelungen, etwas anderes durch sie zu erreichen als die Gewißheit, daß Lyrika ihm nicht geneigt sei. Atom war zu sehr von seinem eigenen Werte überzeugt, als daß er an seinem schließlichen Siege hätte zweifeln mögen; Lyrikas Neigung für Kotyledo schien ihm das einzige Hindernis, und nachdem nun die auf seine Anregung von Funktionata unternommene Rechnung ergeben hatte, daß eine Verbindung mit Kotyledo dessen Untergang herbeiführe, glaubte sich Atom seinem Ziele näher als je. Er ging jetzt auch direkt darauf los. Man hatte im 39. Jahrhundert nicht Zeit noch Lust, längere Umschweife zu machen, man war sehr aufrichtig und genierte sich wenig. Ein Heiratsantrag namentlich mußte nach der gebräuchlichen Sitte

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