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Traumkristalle

Traumkristalle

Titel: Traumkristalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
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leisten. Wenn ich dir hiervon auch nur fünf Prozent abnähme, so würde ein Überschuß von Energie in dir aufgespeichert werden, welcher sich in Gehirntätigkeit umsetzen und einen transzendental-psychologischen Artikel erzeugen würde; denn hierzu genügt schon ein Minimum von Energie. Dadurch würden zwar sechsundzwanzig Leser veranlaßt werden, das betreffende Blatt abzubestellen; einer aber würde es so eifrig lesen, daß er dabei einschlafend dem Lichte zu nahe käme. Es entstünde ein Hausbrand, welcher sich einem ganzen Stadtviertel mitteilte; ein Arsenal flöge in die Luft; die Explosion würde den Anziehungsmittelpunkt der Erde um den tausendsten Teil eines Millimeters verschieben; dadurch aber würde die Erde um zwei Millionen Jahre zu früh in die Sonne stürzen. Du siehst also, daß es mir unmöglich ist, das Knäuel aufzuheben.“
    „O, weiser Geist!“ rief ich; „wir sind deiner nicht wert – du bist entlassen!“
    Ich setzte die Lampe auf den Tisch. Ein Lichtschein schoß daraus hervor und verlor sich als leichte Wolke an der Decke. Wenigstens schien es mir so.
    Aus der Ferne tönte es leise: „Dank, Dank für die Erlösung nach dreitausendjähriger Haft! Zur transzendentalen Freiheit flieh’ ich aus dem Zeitalter der Notwendigkeit! Es fällt kein Knäuel vom Tische, dessen Sturz nicht durch das Weltall zittert!“
    Ich hob das Knäuel auf und legte es neben die Lampe. Es rollte wieder herab.
    „Sie können sich als Bauchredner hören lassen“, sagte der Professor.
    Solche Leute sind nicht zu überzeugen.

 
Die Fernschule
     
    „Es ist doch ein weiter Weg bis nach Hause – an solch heißen Tagen merkt man’s. Ich glaube, ich bin müde. Aber etwas Bewegung tut freilich gut.“
    So dachte der Professor Frister, als er nach vier absolvierten Unterrichtsstunden aus dem Gymnasium heimkehrte. Nun hatte er sich’s in seinem Studierzimmer bequem gemacht. Er saß am Schreibtisch, stützte den Kopf in die Hände und strich das graue, vom raschen Gang noch feuchte Haar aus der Stirn.
    „Es ist gerade noch ein Stündchen Zeit vor Tisch. Also was tun? Arbeiten natürlich. Da liegen zwei hohe Stöße blauer Hefte, Primanerarbeiten, Korrekturen, die erledigt werden müssen. Aber das geht jetzt nicht! Es ist ja freilich sehr interessant, jedes Jahr eine neue Generation, immer neue Individuen den Weg der geistigen Entwicklung zu führen! Welch schöne Aufgabe, denselben Lehrstoff nun zum achtundzwanzigsten Mal mit immer frischen Kräften zu beleben! Schade nur, daß sich die Individuen ein wenig stark wiederholen! Was in den Heften steht, weiß ich ganz genau. Es sind immer dieselben Fehler. Höchst lehrreich für den Statistiker, wie sich bei all den einzelnen dasselbe Gesetz des menschlichen Irrtums in seiner Entwicklung durchsetzt – höchst interessant! Aber jetzt, jetzt bin ich doch etwas zu müde.“
    Frister griff nach einem Stoß Papiere, die seine eigenen Untersuchungen über den Verlauf der täglichen Temperaturkurven enthielten – äußerst wichtig für die Frage der Hitzeferien – und vertiefte sich hinein. Da lag ein schwieriger Punkt, über den er noch nicht fortgekommen war. Zwar, er wußte den einzuschlagenden Weg – aber die Berechnungen, die erforderten eine Arbeit von vielen Monaten – wo sollte er die Zeit hernehmen?
    Er tauchte die Feder ein, machte eine Notiz, legte die Feder wieder hin und stützte den Kopf aufs neue zwischen die Hände.
    „So ginge es schon“, dachte er. „Man müßte nur eben frisch dazu sein. Aber wann? Die vier Stunden, das viele Reden und das Aufpassen und der Ärger über dieselben Dummheiten und der Weg – Im ganzen sind wir doch in der Schultechnik noch sehr zurück. Sollte man da nicht einmal etwas Besseres finden, als diese alte Praxis, daß Lehrer und Schüler in eine Klasse zusammenlaufen und – nun ja, natürlich, eine ideale Aufgabe ist es – indessen es wird doch viel Kraft vergeudet und – und es macht etwas müde. Ich meine, die Entwicklung der Technik könnte hier einen ökonomischeren Weg finden.“
    Frister lehnte sich in den Stuhl zurück und schloß die Augen.
    „Ja“, dachte er weiter, „in hundert oder zweihundert Jahren, wie mitleidig wird man auf unsere veraltete, kraftverschwenderische Methode zurückblicken! Eine Jugend, der das Verantwortlichkeitsgefühl stärker in Fleisch und Blut übergegangen ist, eine Lehrerschaft, die sich der modernsten Technik bedient – keine Entschuldigungen, keine Täuschungsversuche, keine

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