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Traumkristalle

Traumkristalle

Titel: Traumkristalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
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ich doch keinen Kausalzusammenhang.“
    „Ja, wir sind zur Feier an die Zentralsektleitung angeschlossen worden, und deshalb konnte ich nicht gleich in mein Zimmer.“
    „Ausrede!“ flüsterte Voltheim. „Hat gekneipt.“
    „Na na“, sagte Frister, „die Sache scheint mir nicht ganz klar. Nun sagen Sie mir einmal, Meyer, was haben wir in der vorigen Stunde durchgenommen?“
    „Entschuldigen Sie, Herr Naturrat, ich habe gestern gefehlt.“
    „Ach richtig. Sagen Sie mir’s, Brandhaus.“
    „Entschuldigen Sie, Herr Naturrat, ich konnte gestern nicht arbeiten. Hier ist die Entschuldigung von meinem Vater.“
    Brandhaus drückte auf den Knopf seines Phonographen, und man hörte die Baßstimme eines älteren Mannes: „Mein Sohn Siemens konnte gestern wegen Übermüdung der Armmuskeln seine Schularbeiten nicht machen. Brandhaus.“
    „Wie?“ fragte Frister. „Die Arme brauchen Sie doch nicht zum Repetieren?“
    „Unser Motor ist nicht in Ordnung, und so hätte ich den Phonographen, womit ich nachgeschrieben hatte, selber drehen müssen, und das konnte ich eben nicht.“
    „Wodurch haben Sie sich die Übermüdung zugezogen?“
    „Bei Übungen mit dem Flugrad.“
    Frister sah sich verlegen nach Voltheim um.
    „Kann schon sein“, murmelte der. „Hat wahrscheinlich eine Luftpartie mit jungen Damen gemacht und zuviel Luftquadrillen getanzt.“
    „Na, hören Sie, Herr Kollege, Entschuldigungen scheint’s in der Fernschule nicht weniger zu geben als zu meiner Zeit.“ Und er wandte sich wieder zu den Schülern.
    „Nun denn, Rathenberg, was haben wir durchgenommen?“
    „Die Lichtfernsprechstellen mit Amerika. Aber die gibt’s nicht mehr. Sie sind alle wieder eingezogen, weil man sie durch den chemischen Ferntaster ersetzt hat. Die neu entdeckten chemischen Lösungsstrahlen durchdringen nämlich das heiße Innere des Erdballs, und man ist somit in der Lage, durch die Erde hindurch auf chemischem Wege zu sprechen.“
    Frister wiegte vor Verwunderung den Kopf hin und her.
    Der Schüler nahm dies als Zeichen eines Einwands und fuhr fort: „Herr Naturrat nannten allerdings noch die Verbindung ‚Kreuzberg-Chimborasso’, aber die ist seit heute früh auch eingezogen. Ich habe es eben im Berliner Fernanzeiger gelesen.“
    „Schon gut – nun, Hornbox, fahren Sie fort.“
    „Die wichtigsten Staaten Amerikas sind das Kaiserreich Kalifornien, das Königreich New-York, die Anarchistenrepublik Kuba, der Kirchenstaat Mexiko und das südamerikanische Sonnenreich.“
    „Was man da alles hört!“ dachte Frister. Aber er sagte nur: „Fahren Sie fort, Schwarz.“
    Schwarz begann mit einer Geläufigkeit, daß Frister den Worten kaum zu folgen vermochte: „Nachdem durch die direkte Verwendung der Sonnenstrahlung zur Arbeitskraft die Techniker der herrschende Stand geworden waren und die Arbeitsmittel der Menschheit in ihrer Hand vereinigt hatten, gründeten sie einen Staat auf Aktien, indem sie alles in Südamerika zwischen den Wendekreisen verfügbare Land ankauften. Da sie ihre Macht direkt von der Sonne ableiteten, benannten sie diesen Staat den Sonnenstaat. Über die hohen Gebirge, wie über die Baumwipfel und Steppen der weiten Ebenen zogen sie ihre Strahlungssammler –“
    „Aber, Schwarz, Sie bewegen ja gar nicht die Lippen beim Sprechen. Und warum spielen Sie denn immerfort mit den Fingern da auf Ihrem Tisch? Sie lesen wohl gar ab?“
    „Bitte sehr, Herr Naturrat“ – und Schwarz fingerte weiter auf seinem Platze – „ich spiele ja auf der Sprechmaschine. Ich kann nämlich nicht selbst sprechen, weil ich mir die Zunge verbrannt habe.“
    „So fahren sie fort.“
    „So weit waren wir gerade gekommen.“
    Frister wandte sich verlegen nach Voltheim um. „Was nun?“ fragte er.
    „Lassen Sie Ihren Phonographen reden.“
    Frister drückte auf das Instrument, und zu seiner größten Verwunderung hörte er jetzt seine eigene Stimme: „Wir betrachten nun die Entdeckungsfahrten nach dem Südpol. Wir haben es heutzutage freilich leicht, mit unseren Flugmaschinen über die Eiswüste zu gleiten, aber bedenken Sie, welche Schwierigkeiten sich noch vor hundert Jahren boten, welcher Mut dazu gehörte, mit jenen gebrechlichen Wasserschiffen und auf dürftigen Hundeschlitten in die unzugänglichen Regionen sich zu wagen. Wenn unsere Vorfahren so bequem gewesen wären wie Sie, so wären wir niemals an den Südpol gelangt. Das waren ganz andere Leute! Nie wäre es einem Schüler des neunzehnten Jahrhunderts

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