Traumkristalle
worden sind oder in Zukunft geschrieben werden können.“
Burkel schlug den Freund kräftig auf die Schulter.
„Du, auf die Universalbibliothek abonniere ich. Dann habe ich ja sämtliche zukünftigen Bände der Zeitschrift schon fix und fertig in der Druckvorlage. Ich brauche mich um keine Beiträge zu kümmern. Das ist ja prachtvoll für den Verleger, das ist die Ausschaltung des Autors aus dem Geschäftsbetrieb! Ersatz des Schriftstellers durch die Kombinationsmaschine, Triumph der Technik!“
„Wie?“ rief die Hausfrau. „Alles ist in der Bibliothek? Auch der ganze Goethe? Die Bibel? Die Gesamtausgaben der Werke aller Philosophen, die nur je gelebt haben?“
„Und sogar mit sämtlichen Lesearten, auf die noch kein Mensch gekommen ist. Du findest da auch sämtliche verlorenen Schriften des Platon oder des Tacitus und die Übersetzungen dazu. Ferner sämtliche zukünftigen Werke von uns beiden, alle vergessenen und noch zu haltenden Reichstagsreden, den allgemeinen Weltfriedensvertrag, die Geschichte der darauffolgenden Zukunftskriege –“
„Und das Reichskursbuch, Onkel!“ rief Susanne. „Das ist doch dein Lieblingsbuch.“
„Gewiß, und deine sämtlichen deutschen Aufsätze bei Fräulein Grazelau.“
„Ach, hätte ich doch das Buch schon im Pensionat gehabt! Aber ich denke, es handelt sich immer um einen ganzen Band –“
„Erlauben Sie, Fräulein Briggen“, fiel Burkel ein, „vergessen Sie nicht die Spatien. – Jedes kleinste Verschen kann einen Band für sich bekommen, das übrige ist dann leer. Und wir können auch die längsten Werke darin haben, denn wenn sie in einem Bande nicht Platz finden, da suchen wir die Fortsetzung in einem andern.“
„Na, ich danke für das Heraussuchen“, sagte die Hausfrau.
„Damit hat es auch seinen Haken“, begann der Professor schmunzelnd, indem er sich in seinen Sessel zurücklehnte und den Rauch seiner Zigarre behaglich mit den Blicken verfolgte. „Es könnte zwar scheinen, als ob das Heraussuchen dadurch erleichtert würde, daß die Bibliothek auch ihren eigenen Katalog enthalten muß –“
„Nun also –“
„Ja, aber wie willst du den herausfinden? Und wenn du einen Band gefunden hättest, so wärest du auch nicht weiter, denn es sind ja nicht bloß die richtigen, sondern auch alle möglichen falschen Titel und Signaturen darin.“
„Teufel auch, das ist wahr!“
„Hm! Es gibt da so einige Schwierigkeiten. Nehmen wir z. B. den ersten Band unserer Bibliothek zur Hand. Die erste Seite ist leer, die zweite ebenfalls, und so fort, alle 500 Seiten. Es ist nämlich der Band, worin das Zeichen des Spatiums ein Millionenmal wiederholt ist –“
„Da kann wenigstens kein Unsinn darin stehen“, warf Frau Wallhausen ein.
„Ein Trost! Nun der zweite Band, auch leer, alles leer, bis auf der letzten Seite, ganz unten, an der millionsten Zeichenstelle ein schüchternes a steht. Im dritten Bande ist es wieder so, nur daß das a um eine Stelle vorgerückt ist, an letzter Stelle steht jetzt wieder das Spatium. Und so schiebt sich das a in jedem Bande um eine Stelle weiter nach vorn durch eine Million Bände, bis es im ersten Bande der zweiten Million glücklich die erste Stelle erreicht hat. Weiter steht nichts in diesem interessanten Bande. Und so geht es durch die ersten hundert Millionen unserer Bände, bis alle hundert Zeichen ihren einsamen Weg von hinten nach vorn durchlaufen haben. Ein Gleiches wiederholt sich dann mit aa oder mit irgend zwei anderen Zeichen in allen möglichen Stellungen. Ein Band bringt nur Punkte, einer nur Fragezeichen.“
„Na“, sagte Burkel, „diese inhaltlosen Bände würde man ja bald erkennen und ausscheiden -.“
„Hm, ja – aber das Schlimmste kommt erst, wenn man einen scheinbar vernünftigen Band gefunden hat. Du willst z. B. etwas im ‚Faust’ nachsehen und trifft auch wirklich den Band mit dem richtigen Anfang. Und wenn du ein Stückchen gelesen hast, geht es auf einem weiter: ‚Papperle, happerle, nichts ist da!’, oder einfach ‚aaaaa’ … Oder es beginnt eine Logarithmentafel, aber auch von der weiß man nicht, ob sie richtig ist. Denn in unserer Bibliothek steht ja nicht nur alles Richtige, sondern auch alles Falsche. Durch die Überschriften darf man sich nicht irreführen lassen. Ein Band fängt vielleicht an: ‚Geschichte des Dreißigjährigen Krieges’ und geht weiter: ‚Als Fürst Blücher die Königin von Dahomey bei den Thermopylen geheiratet hatte …’
„Du, Onkel, das
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