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Traumlawine

Traumlawine

Titel: Traumlawine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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lauschte.
    Ein leises Wimmern lag in der Luft.
    »Es kommt von irgendwo unter uns«, bemerkte Fronja. »Wenn nur dieser Dunst nicht wäre – er macht es fast unmöglich, die Richtung zu bestimmen.«
    Endlich klarte die Sicht wieder auf. Sie standen am Rand eines weitgezogenen Talkessels, aus dem verstreut einzelne Felsspitzen herausragten. Seltsamer Pflanzenwuchs zog sich an den sanft abfallenden Hängen dahin – ins Riesenhafte vergrößerte braune Moose und Flechten. Mythor war gezwungen, mit dem Schwert einen Durchgang zu schaffen.
    Wieder ertönte das Wimmern. Deutlicher diesmal. Und es kam von weiter rechts.
    An dornigen Ästen fanden sich Fetzen von Kleidungsstücken. Es war grob gewirkter Stoff, wie ihn meist nur ärmere Leute trugen.
    Mythor deutete auf einen Felsvorsprung, dann schwang er erneut sein Gläsernes Schwert. Das Geräusch brechender Äste hallte als Echo aus der Tiefe zurück. Und augenblicklich verstummte das Wimmern.
    Völlig unerwartet bohrte sich ein Pfeil wenige Fußbreit vor dem Sohn des Kometen ins Gestrüpp. Er erkannte, daß der Schütze nur auf dem Felsen lauern konnte, bekam aber nicht einmal einen Schatten von ihm zu sehen.
    Mythor schnellte förmlich vorwärts. Ranken wollten ihn zu Fall bringen, er stolperte, verfing sich in dem dichten Unterholz, schlug mit Alton zu und raffte sich wieder auf, ehe der nächste Pfeil ihn um mehr als eine Mannslänge verfehlte. Der Bogenschütze hatte seinen Standort verändert, mußte sich jetzt näher zur Linken befinden.
    Der Pflanzenwuchs endete. Zersplitterte Strünke zeugten aber davon, daß jemand die Büsche gerodet und wahrscheinlich zu Brennholz gemacht hatte.
    Mythor schickte sich an, den Felsvorsprung zu erklimmen. Das Geräusch vorsichtig tastender Schritte bewies ihm, daß der Gegner ihn aus den Augen verloren hatte. Die beiden Frauen schätzte er offensichtlich als ungefährlich ein.
    Lautlos zog Mythor sich in die Höhe. Halb hatte er den Vorsprung bereits umrundet, als er unter sich den Schützen gewahrte, der einen Pfeil schußbereit auf der Sehne hielt. Er wollte springen, war jedoch nicht sicher, sich weit genug abstoßen zu können. Das schmale Band, auf dem er stand, maß kaum eine Handbreit.
    Eine ungeschickte Bewegung – etliche Steine polterten über den Rand in die Tiefe. Der Mann unten warf sich herum. Für die Dauer eines erschreckten Herzschlags starrte er Mythor entgeistert an, dann schrie er gellend auf, ließ Pfeil und Bogen fallen und rannte blindlings davon.
    Mythor sprang, kam mit ausgebreiteten Armen auf und hetzte ihm hinterher.
    Wieder ein gellender Schrei, in höchster Todesfurcht ausgestoßen. Fronja stand unvermittelt da, ihre beiden Amazonenschwerter zum Schlag erhoben.
    Der Mann prallte zurück. Als Mythor ihn zu fassen bekam, war er nicht viel mehr als ein zitterndes Bündel.
    »Warum hast du auf uns geschossen?«
    Keine Antwort, nur ein unverständliches Schluchzen. Der Fremde verging schier vor Furcht.
    Er sah aus, als habe er seit Tagen nichts mehr gegessen. Die grauen Augen lagen tief in ihren Höhlen, waren blutunterlaufen und von dunklen Ringen umgeben. Unstet und flatterhaft ihr Blick. Das eingefallene, knochige Gesicht wurde von einem verfilzten Bart umrahmt. Auch das bis zu den Schultern reichende Haupthaar war dreckverkrustet.
    Mythor verstärkte seinen Druck um die Handgelenke des Mannes.
    »Warum?« wollte er wissen.
    Der Fremde öffnete seine spröden, aufgeplatzten Lippen zu einem kläglichen Stöhnen.
    »Kannst du nicht sprechen?«
    »Ich… ich wollte euch nicht töten.«
    »Aber du hast uns angegriffen. Noch dazu aus dem Hinterhalt.«
    »Ich… hatte Angst. Wollte euch nur vertreiben von hier.«
    »Wer bist du?« fragte Mythor.
    Zögern.
    »Ich weiß nicht…«
    »Aber du mußt doch einen Namen haben«, drängte Glair.
    »Ein Name…« Der Mann schien in Gedanken zu versinken. Sein Gesicht nahm vorübergehend einen verklärten Ausdruck an, verzerrte sich aber sehr schnell wieder zur angstvollen Grimasse.
    »Nu–ell…«, kam es leise.
    »Also gut, Nuell. Woher kommst du?«
    Eine umfassende Bewegung, die keine Himmelsrichtung ausließ. Dazu ein flüchtiges Schulterzucken.
    »Ich suche die Grotte der Selbstfindung.«
    »Oh«, machte Glair überrascht. »Sieht nicht so aus, als hättest du sie gefunden.«
    »Er muß einer jener Pilger sein, von denen Robbin gesprochen hat«, bemerkte Mythor. »Sagte der Pfader nicht, daß es manchen nach Sargoz zieht, in der Hoffnung, sich selbst zu

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