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Traumlawine

Traumlawine

Titel: Traumlawine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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»Vielleicht wirst du brennen. Warte es ab.«

6.
    Die Drynen hatten sie in einem Raum alleingelassen, den man getrost einen Prunksaal nennen durfte. Mythor fühlte sich an Elvinon erinnert. Schwere Holztäfelungen an den Wänden strahlten behagliche Wärme aus. Der Boden bestand aus kunstvoll gearbeiteten Mosaiken, die Szenen aus vielen Ländern zeigten.
    Mythor ließ seinen Blick wandern. Dort fand sich das Abbild eines Wolfes, unmittelbar daneben die Umrisse eines Vogels. Und keine fünf Schritte weiter hob ein Einhorn seinen Kopf und schien ihn geradewegs anzustarren.
    »Bitterwolf, Schneefalke und Einhorn«, murmelte der Sohn des Kometen. »Es muß von besonderer Bedeutung sein, daß ich gerade hier auf ihr Abbild stoße.«
    Fronja schien aus ihren Gedanken aufzuschrecken.
    »Was sagst du?« machte sie irritiert.
    Mythor streckte die Rechte aus und zeigte es ihr.
    »Meine drei Tiere, die ich in einem Stützpunkt des Lichtboten fand und auf der Nordwelt zurückließ.«
    »Wo?« Sie kniff die Augen zusammen.
    »Unmittelbar vor dir.«
    »Ich sehe nur den Hexenstern. Und das dort drüben muß ein Abbild von Raak sein. Sieh nur, wie er die Klauen ausstreckt. Da ist auch der Kometenschweif, der sich vom Nabel der Welt bis zu den Kerell-Inseln erstreckt.«
    Mythor schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß nicht, was du siehst«, sagte er. »Für mich hat das Mosaik andere Bilder. – Glair, was erkennst du?«
    Die Wetterhexe schien auf seine Frage gewartet zu haben.
    »Da ist die Urmütter Vanga«, erwiderte sie. »Dort drüben ihre Rechte mit dem Reif, und auf der anderen Seite des Raumes ihre Linke. Sie hält die ganze Welt umschlungen.«
    »Magie«, meinte Mythor daraufhin. »Jeder von uns bekommt das zu sehen, was ihn im Grunde seiner Seele beschäftigt. Ich habe erst vor kurzem an meine Tiere gedacht und daran, wie es wohl in Gorgan aussehen mag. Ob die reichen Ländereien des Nordens den Einfall der Caer inzwischen überwunden haben?«
    »Über kurz oder lang wirst du es erfahren«, sagte Glair. »Verfüge über mich, wenn du meine Hilfe benötigst.« Solches aus dem Mund einer Frau von Vanga klang seltsam. Mythors überraschter Blick blieb auch länger als nötig an der Wetterhexe haften.
    Dann wandte er sich ruckartig um und durchmaß den Saal mit weit ausgreifenden Schritten. Unter seinen Stiefeln begannen die Bilder des Mosaiks zu verschwimmen. Wie seine Empfindungen wirbelten sie immer rascher durcheinander.
    Mythor stieß die Tür zu einem kleineren Raum auf. Da war ein schwerer eichener Tisch, der sich unter der Last der aufgetragenen Speisen und Getränke schier bog. Verlockende Düfte wehten ihm entgegen. Brennende Kerzen verbreiteten einen anheimelnden Schein. Und da standen drei hochlehnige Stühle, jeder für sich fast schon ein kleiner Thron.
    Nur drei – obwohl gut ein Dutzend an der Tafel Platz gefunden hätten.
    Achtlos hastete der Sohn des Kometen an den Köstlichkeiten vorbei und öffnete eine weitere Tür. Eine breite Treppe führte dahinter zu den oberen Räumlichkeiten hinauf. Von irgendwoher erklangen leise Schritte, doch niemand ließ sich blicken.
    »Zumindest sind wir nicht in unserer Freiheit eingeschränkt«, sagte Mythor. »Ich möchte nur wissen, warum die Drynen uns hierher geführt haben.«
    »Möglicherweise sollen wir zu uns selbst finden«, vermutete Glair.
    »Du meinst…«
    »Deine Ungeduld könnte als Zeichen von Schwäche ausgelegt werden. Weshalb tun wir nicht einfach, was man von uns erwartet?« Die Hexe setzte sich und schenkte aus einem tönernen Krug goldgelben Wein in drei Becher.
    »Ja«, stimmte Fronja zu. »Wieso eigentlich nicht?«
    Mythor warf einen letzten Blick zurück in den angrenzenden Saal. Von hier sah es aus, als wären verschiedene Symbole in den Boden eingelassen. Er kannte sie alle. Es waren dieselben, die auch sein Gläsernes Schwert aufwies, und die anderen hatte er damals auf der gegerbten Haut des Siebenläufers gesehen.
    Der Wein mundete vorzüglich; das gebratene Fleisch zerging auf der Zunge. Nachdem Mythor erst einmal gekostet hatte, vergaß er seine Zurückhaltung und langte kräftig zu. Die beiden Frauen standen ihm nicht nach.
    »Hier ließe sich’s aushalten«, meinte Glair. »Aber sind die Drynen wirklich so uneigennützig, oder steckt viel mehr hinter alldem, als wir jetzt noch ahnen?«
    »Ich weiß nicht.« Fronja zuckte mit den Schultern. »Solange sie uns in Ruhe lassen…«
    »Wie willst du den Bildzauber von mir nehmen?« fragte Mythor

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