Traummann in Klischee - ein heiterer Frauenroman
umarmt, Tom.
250 Euro, der kleine Bruder hatte einen guten Nebenverdienst, wenn er mal so mir nichts dir nichts was rüberwehen lassen konnte. Ja, ja, die Welt der Armen bestand aus Fünf-Euro-Scheinen, die des wirtschaftlich stärkeren Mittelstandes aus 50ern. Mein Bruder gehörte scheinbar dazu.
Am Montag erwachte ich bereits gegen fünf Uhr. Ich bereitete mir einen starken Kaffee, machte eine Abart von so was wie Yoga oder das, was ich dafür hielt (verzerrte mir dabei auch noch einen meiner Nackenmuskeln ein wenig), und duschte mich ausgiebig. Dann stand ich vor dem Kleiderschrank und überlegte, was eine erfahrene Nanny, denn dies würde ich ja nun sein, denn normalerweise so trägt. Ein graues Kostümchen mit Schürze, schwarze Stiefelchen und einen Regenschirm a la Mary Poppins oder mehr die jugendliche Au-pair-Variante mit Shirt und Minirock, hochtoupierten Haaren und Lipgloss a la Nanny?
Meine Unsicherheit wuchs. Auf der einen Seite wollte ich nicht lächerlich erscheinen, andererseits war ich mir der unspektakulären Rolle, die ich spielen würde, jedoch bewusst. Ich musste mir einzig immer wieder vor Augen führen, dass ich um meine Lebensexistenz kämpfte, alles andere war gleich. Ich entschied mich für die taffe Antonia. Taillierte, aber robuste Jeans und ein unkaputtbares T-Shirt mit einem lustigen Motiv in Form eines singenden Ponys drauf. Ich hoffte, das Kind, um das es ginge, würde mich mögen. Wahrscheinlich musste es einzig in den Kindergarten gebracht, abgeholt und zwei weitere Stunden betreut werden, bevor seine erfolgreiche Mutter nach Hause käme. Faktisch nichts weiter als ein Halbtagsjob. Aber diese Tatsache ließ mir Raum, an meiner schriftstellerischen Karriere weiterzuarbeiten und vielleicht gar meine Miete bezahlen zu können. Schriftstellerische Karriere? Ich würde wohl nie mündig werden? Mutter hatte den Nagel auf den Kopf getroffen, als sie sagte:
„Unsere Toni ist schon über 30 und schwebt noch immer auf den Wolken der Realitätslosigkeit.“
Diesbezüglich würde ich wohl nie erwachsen werden. Ich träumte und hoffte und erbat den Knall höherer Mächte. Aber es knallte nicht. Schriftstellerin? Ich? Lächerlich. Ich musste mich den Tatsachen stellen, die da lauteten: Kindermädchen, Kinderfrau und Kinderpensionärin. Das waren mein Sein und meine Zukunft. Darauf konnte ich aufbauen, ein vollkommen realer Zustand.
Ich holte tief Luft, straffte meinen Oberkörper unter meinem Erzieherinnenoutfit und betrachtete mich in meinem Spiegelbild. Alles wird gut! Tschaka!
5. Kapitel - Angetreten
Da war ich nun, nach mehreren Umsteigeaktionen, frühmorgendlicher Übellaunigkeit Mitreisender eingeschlossen, in Berlin Pankow gelandet.
Aufrecht stand ich vor der Eingangstür eines kleinen, netten, schon ein wenig baufällig wirkenden und in einer Mischung aus Bauhaus- und Jugendstil gehaltenen Häuschens mitten im Grünen, inklusive verwildertem Garten.
Vögel zwitscherten, die Sonne schien, und es würde warm werden. Ich konnte es auf meinem Nacken spüren. Mit tatkräftig aufgesetztem Gesicht blickte ich auf den Klingelknopf und auf meinen Finger, der ihn zu drücken hatte. Doch er wollte sich einfach nicht bewegen. Nicht einen kleinen Deut weit. Starr und ohne einen Daumenbreit nachzugeben, blieb er da, wo er war. Fünf Zentimeter vom Knöpfchen entfernt. Ich konnte meinen Willen noch so sehr bestärken, doch endlich das zu tun, was Finger zu tun hatte, doch er blieb stur. Mit einem lauten Seufzer ergab ich mich und blickte keineswegs mehr entschlossen, sondern eher resigniert erschrocken auf den Namen unter der Eingangsmusikanlage. Brügge.
Nach einem inneren Sammeln von vielleicht zwei Minuten hatte ich mich endlich wieder soweit unter Kontrolle, um mich melodisch mit einem Ding Dang Dong anzukündigen. Gerade, ganz ehrlich, wollte ich den Finger auf das Knöpfchen drücken, da wurde zu meinem Erstaunen die Tür aufgerissen, und an mir vorbei stob ein winziges, halbnacktes Menschlein mit lautem Kriegsgeschrei die drei Stufen hinab. Hinter ihm her hörte ich eine mir bekannte Stimme:
„Komm her, du kleiner Satansbraten, oder ich...“, mitten im Satz hielt Herr Brügge inne.
„Na guck einer an, da sind Sie ja. Antonia, schön, Sie zu sehen“, er lächelte mich süffisant an. Ausgetragene Jeans, barfuß, ein schienenloses Bein, das andere ebenso. Des Weiteren umkleidete den etwas kräftigen Körper eine Art ausgewaschener zu kurz geratener Kaftan, welcher
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