Traummann in Klischee - ein heiterer Frauenroman
nicht. Er sucht jedenfalls einen „Babysitter“. Nächste Woche kannst du bei ihm anfangen“
Ja, schnell war es gegangen. In gewisser Weise bot mir diese Stellung eine neue Stufe auf der Karriereleiter in Richtung einsame Jungfer. He, ich sollte doch noch eine Jane Eyre werden. Jetzt degradierte ich mich also schon zur Aufpasserin für kleine Nerv tötende Blagen.
Ich mag Kinder, auch wenn ich keine habe, nicht zuletzt, weil mir bis dato der rechte Mann gefehlt hatte und mir mein eigenständiges Leben auch viel zu kostbar erschien, um mich durch einen kleinen Zwerg bis zu dessen 20. Lebensjahr einschränken zu lassen. So betrachtet schien mir die Alternative als Kindermädchens dann doch wesentlich angenehmer. Die Verantwortung währte nur einige Stunden am Tag, und bis meine biologische Uhr ihren letzten Schlag getan hätte, würde ich mich erst einmal testen können, ob ich denn den Anforderungen der Mutterschaft auch wirklich gewachsen war.
Tante und ich verabschiedeten uns mit einer festen Umarmung und dem Versprechen meinerseits, sie und Archibald in 14 Tagen zum Essen zu besuchen, um ausführlich über meine neue Betätigung Bericht zu erstatten.
In meiner Tasche der Zettel mit Rasmus Brügges Adresse und der Mitteilung, Montag 7:30Uhr bei ihm vorzusprechen.
Es war Freitagnachmittag, und ich fühlte mich ein wenig allein und einsam. Meine Nachbarn waren nicht da, und auch sonst schien keiner meiner Bekannten zu Hause zu sein. Meine Wohnung sah aus wie ein Lumpensammellager und mein Leben ebenso. Gleichzeitig war ich von einer inneren Unruhe ergriffen, die mich schier zur Verzweiflung brachte. Somit tat ich das einzig Richtige, ich fuhr zu meinen Eltern.
Unangemeldet, nach zweistündiger Zugfahrt stand ich vor der Haustür des Reihenendhauses meiner Erzeuger und wurde sogleich liebevoll in Mutters Arme geschlossen. Vater saß in seinem Sessel und las wie immer in einem von drei monatlich in seinem Briefkasten landenden Magazinen, diesmal Geo. Er gab mir einen Kuss auf die Stirn, auch wie immer, und duftete nach seinem Vanilletabak, dessen Geruch mich bereits meine ganze Kindheit begleitet hatte.
Meine Mutter war gerade dabei, ihren berühmten Kartoffelauflauf zu machen, wie jeden Freitag, und ich fühlte mich zu Hause, aufgehoben und angekommen.
Kaum hatten wir uns an den Abendbrottisch gesetzt, einen riesigen Küchentisch, der noch von meiner Oma stammte und die Kücheneinrichtung stark dominierte, hörte ich, wie sich der Schlüssel in der Hintertür drehte.
Da stürmte er auch schon herein, auch wie früher, mein kleiner Bruder, der Nachzügler, das Nesthäkchen, mein kleiner Tom. Inzwischen war er allerdings auch schon 18, machte sein Abitur und interessierte sich nicht mehr für Fußball und Raubritter, sondern, wie mir Mama zu berichten wusste, für Mädchen.
Klar, die Jugend heute ist schon mit 14 in einem Stadium, welches ich erst mit 18 erschloss, und mein kleiner Bruder war mittendrin im Erwachsenwerden.
Er warf seine alte, abgetragene Lederjacke auf den Küchenboden, gab mir einen Schmatz auf meinen Mund, schlug Vater auf die Schulter und platzierte ein Küsschen auf Mamas Wange. Dann setzte er sich, auch wie früher, an den Tisch, nahm sich zuerst vom Auflauf und begann ohne ein Wort das Abendbrot in sich hineinzuschaufeln. Noch immer war in den ersten Minuten am Tisch mit Tom keine Form der gemeinsamen Konversation zu finden.
Als älteste Tochter zweier berufstätiger Eltern oblag es mir, meinen kleinen Bruder zu beaufsichtigen. Als er dann in die Schule kam, hatte ich meine Schule abgeschlossen, begann zu studieren, um die Welt zu ziehen und verlor den intensiven Kontakt zu Tom, den ich als seine Zweitmutter innegehabt hatte. Mit meinem Umzug nach Berlin und den regelmäßigen Besuchen zu Hause bei meinen Eltern allerdings begannen wir uns wieder näherzukommen.
Doch mein kleiner Bruder war er eben noch immer, auch wenn ihm ein Bart im Gesicht wuchs, der wie bei einem Ziegenbock aussah, und er sich sphärische Tattoos auf seinen Oberarm hatte einstechen lassen.
Am späteren Abend, Vater schaute einen Krimi im Fernsehen und Tom war ausgeflogen, zogen sich Mama und ich zurück in die Küche zum Weiberklönen. Mutter zog an ihrer Eine-am-Tag-Kippe, goss sich einen Schuss Rum in ihren schwarzen Tee und mir gleich ebenso und zog nochmals an ihrer glimmenden Zigarette. Etwas schien sie stark zu beschäftigen. Ihre Mundwinkel zuckten und sie murmelte in einen Monolog vertieft in sich
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