Traummann in Klischee - ein heiterer Frauenroman
gebracht hatte außer einem formidablen zweiten Platz im Bereich Instrumentalmusik eines Talentwettbewerbes im Alter von elfeinhalb Jahren. Ich, die in allen bestehenden Beziehungen die Verlassene war. Ich, die weder den Sexappeal gepachtet noch besonders strebsam oder außergewöhnlich gescheit gewesen wäre. Eine absolut durchschnittliche Person, einzig mit dem Bedürfnis, ein ganz klein wenig geliebt zu werden. Was war es? Warum wollte er mich wiedersehen? An meiner Ausstrahlung allein konnte es nicht liegen, die war alltäglich. An meinem Karma? Das war durchwachsen. Erfolglosigkeit in Beziehungsfragen, stand mir faktisch auf der Stirn geschrieben. Also lag es vielleicht an meinem Wesen? Aber so viele Worte hatten wir nun auch nicht gewechselt, dass ich einen bleibenden Eindruck hinterlassen hätte. Oder doch? Ich meine, jemanden pubertär anhimmeln ist das eine, da kann man sich in seine Traumwelt zurückziehen und verklärt über Unmögliches nachsinnen. Anders dagegen ist es, wenn der Angehimmelte sich herablässt und die Anhimmelnde auf seine Ebene hebt. Irgendwas stimmte da nicht.
Ach was, menno, blöder Fatalismus, verzieh dich! Lustvolle Zuversicht, sei mein.
Ich flog! Ich hatte Flügel und war tatsächlich bereit, und sei es nur für einen Flirt samt Beischlafs, bereit für Christoph, und ich wollte und musste es zulassen.
Und sollte es Christoph nicht werden, dann bitte, lieber Herr im Himmel, irgendein anderer, der ebenso gut aussah, so charmant und geistreich war wie er!
Mein Ego musste gestreichelt werden!
Rasmus Brügge schien meine heimlichen Sehnsüchte zu kennen. Ein Künstler halt. Die haben ja angeblich Antennen für so was.
„Na, Antonia, wie steht es um Ihren Roman?“, fragte er mich eines Abends. Ich hatte meine Jacke schon in der Hand und wollte nach Hause fahren.
„Sie können sich Ihre mokanten Kommentare sparen. Ich kann mir schon vorstellen, was Sie davon halten“, antwortete ich mit gereiztem Unterton.
Er lehnte sich an die Wand des Flures, strich mit der Hand über sein zerfurchtes von zu viel Nikotin und Alkohol gezeichnetes Gesicht und verzog den blassen Mund zu einer Art Schmunzeln.
„Nach zwei Seiten hab ich aufgehört fortzufahren. Das ist der größte Schund, den ich jemals zu lesen gezwungen war. Bis auf ein, zwei andere weichspülgeschleuderte Erzählungen, auf die ich hier nicht näher eingehen werde.“
Ich schluckte, es konnte nun mal nicht jede eine Simone de Beauvoir sein. Meine ersten schriftstellerischen Versuche waren nun mal Kitsch in Reinkultur. Aber ich mag Kitsch. Und außerdem widerspiegelte dies eh nur ein menschliches Grundverlangen, nämlich das Bedürfnis nach Harmonie. Ich nickte, versuchte meine aufkeimende Empörung zu unterdrücken und wandte mich dem Ausgang zu.
„Aber …“, ich drehte mich zu ihm, ein nettes Wort doch noch vielleicht…
„Aber, Sie haben ein unbeschreibliches Talent für spitzzüngige Metaphern, wie ich beim Lesen ihres Liebesabenteuers herausfand. Tut mir leid, der Ordner war bezeichnet mit Eros, das hat mich interessiert. Basiert die Erzählung etwa auf selbst Erlebtem?“
Mein Liebesabenteuer? Hä? Liebesabenteuer. Wann soll das denn gewesen sein? Ich überlegte krampfhaft. Verdammt noch mal, hatte mein Chef etwa meine erotische Darstellung des misslungenen Aktes zwischen Robert und mir gelesen? Also, äh, das hätte er eigentlich nicht tun sollen. Also, meine Güte, das war mir nun wirklich mehr als peinlich. Er schien zu bemerken, wie unwohl ich mich beim Gedanken daran fühlte, er habe diese Zeilen gelesen. Trotz aller schlagfertig humoristischen Einlagen war das Ganze ja doch recht intim und Teil meiner eigenen Geschichte mit meinem Ex. Durch das Aufschreiben jener Situation wollte ich doch nur dies persönliche Desaster für mich verarbeiten.
„Tut mir leid“, bemerkte Brügge „ ich las diese kleine Eskapade und gestehe, Ihr Schreibstil überraschte mich. Kurzweilig, burlesk, ungezwungen. Machen Sie weiter, das ist gut.“
Er guckte mich auffordernd an, ich war jedoch zu keinem Kommentar zu bewegen. Seine letzten Worte des Abends an mich waren daher:
„Um über Erotik schreiben zu können, sollte man natürlich auch welche erleben? Oder wenigstens seinen sinnlichen Phantasien freien Lauf lassen! Haben Sie sinnliche Phantasien, Antonia? Sein Sie nicht so bigott, öffnen Sie sich, es steckt mehr in Ihnen als Sie denken. Bis Morgen dann!“
Sich an seinem eigenen Esprit erfreuend, drehte sich Brügge
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