Traummoerder
Augen so weit wie möglich zu öffnen – es kostete ihn einige Anstrengung.
Er konnte nicht sagen, wie lange er schon gefangen war, seine Muskeln sehnten sich jedenfalls nach Entspannung.
Als er versuchte, den Kopf zu heben, durchzuckte ihn ein scharfer Schmerz – sein Hals war seit Stunden steif; dasselbe galt für die Arme und Beine.
Er versuchte, sich auf die Geräusche zu konzentrieren, konnte aber außer dem Motor kaum etwas hören. Das sagte ihm, dass sie nicht in einer großen Stadt unterwegs waren. Vielleicht fuhren sie auf einem Highway. Autos kamen ihnen in Intervallen von dreißig Sekunden entgegen. Bestimmt war er irgendwo auf dem Land.
Schließlich gelang es ihm, die Augen ganz zu öffnen und sie an die Dunkelheit zu gewöhnen. Es verirrte sich kaum ein Lichtstrahl in sein Versteck; das hieß, der Wagen war ziemlich modern oder teuer und sorgfältig hergestellt. Der Klang des Motors ließ vermuten, dass es sich um ein europäisches Auto handelte. Die wirklich erschreckende Frage war, warum er hier war. Was wollte der Entführer von ihm? Seit Jahren lebte er ganz zurückgezogen und kannte kaum noch jemanden. Er war ein Niemand! Er zermarterte sich das Gehirn und suchte nach einer Erklärung. Sicherlich hatte sein Zustand seine Frau Alice nicht so weit zur Verzweiflung getrieben, dass sie eine Lebensversicherung für ihn abgeschlossen und einen Killer angeheuert hatte. Allein der Gedanke war lächerlich.
Wenigstens war er in einem dunklen, begrenzten Raum. Das war eine Erleichterung.
Das Fahrzeug wurde langsamer, schwenkte nach rechts und nahm wieder Fahrt auf. Aus dem Holpern schloss Reggie, dass er auf einem Feldweg war. Die Logik sagte ihm, dass sie sich ihrem Ziel näherten.
Aber er irrte sich – in Wirklichkeit hatten sie noch einen langen, langen Weg vor sich.
»Esther«, begann Dermot mit zaghaftem Unterton. »Ich habe mich lange mit Neela unterhalten und denke jetzt, ich sollte mich klarer ausdrücken, was die Details in Worst Nightmares angeht.«
Esther räusperte sich und atmete tief durch. »O Gott, Dermot. Was kommt jetzt?«
»Zieh keine voreiligen Schlüsse. Ich sage nur so viel: Neela erinnert sich, dass sie mir, während ich schrieb, von den Van-Nuys-Morden erzählt hat.«
»Das sind -die Zwei im freien Fall‹?«
»Genau. Nun, ich habe damals kaum einen Gedanken an den Fall verschwendet, aber er muss mich doch beeindruckt haben. Der langen Rede kurzer Sinn, Esther: Ich habe wohl einiges von dem Fall in mein Buch eingearbeitet.«
»Einiges? Schipp sagt, der Fall und der Inhalt deines Kapitels seien fast identisch.«
Dermot war entsetzt und nicht sicher, was er darauf antworten sollte.
»Dermot, bitte schenk mir reinen Wein ein. Gibt es da noch andere Kapitel?«, fragte Esther bedrückt.
»Also … ja. Das Skorpion-Mädchen. Neela meint, sie hätte damals, als sie online die LA Times las, Einzelheiten über den Fall erfahren. Sie denkt, ich habe die Idee aufgegriffen und später benutzt, ohne lange darüber nachzudenken.«
»Dermot, darf ich dir eine Frage stellen? Es mag lächerlich sein, und vielleicht ist es eine Frage, die du nicht beantworten kannst.« Sie legte eine Kunstpause ein. »Oder du willst sie nicht beantworten.«
»Bitte – frag nur.«
»Der Vorfall im Krankenwagen, in den du involviert warst – die Nachrichten waren gestern Abend voll davon.«
»Ich weiß, Esther. Es war ein echter Albtraum für mich.«
»Natürlich. Ich möchte glauben … nein, lass es mich so ausdrücken: Ich weiß , dass es keine Verbindung zwischen dem Tod des Mannes in deinem Roman und dem Tod des Mannes von gestern gibt. Es war sehr mutig von dir, dein eigenes Leben aufs Spiel zu setzen, um das des Sanitäters zu retten. Aber da ist diese eine Sache: Was war das für eine Schicksalsfügung, dass ausgerechnet du hinter dem Krankenwagen gefahren bist, in dem der arme Kerl gerade stirbt? Dieser Zufall macht mich ziemlich stutzig.«
Nolan war schockiert. Das war eine sehr gute Frage.
»Tut mir leid, Esther, ich kann dir nicht ganz folgen. Ich habe mein Bestes versucht, um das Leben des Mannes zu retten.«
»Das weiß ich, Dermot. Aber wie standen die Chancen, dass du die offenen Hecktüren von diesem Krankenwagen in genau diesem Moment und an diesem Ort bemerkt hast?«
»Wir waren auf dem Weg ins Kino.«
»Dann hat dich also niemand alarmiert und dir gesagt, was gerade in dem Krankenwagen passierte?«
Esther anlügen zu wollen war ein hoffnungsloses Unterfangen. Sie roch
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