Traummoerder
– er hatte immer mehrere Pläne im Ärmel.
Die Presse lechzte nach den neuen Hinweisen, die präsentiert werden sollten, sobald die Verhandlung wieder aufgenommen wurde. Einige schlössen im Presseraum Wetten ab und behaupteten, der neue Hinweis sei so brisant, dass die Verteidigung ihren Mandanten gleich am Anfang für schuldig erklären werde; vermutlich hatten sie eine Abmachung mit der Staatsanwaltschaft getroffen. Alle hofften auf Fotos von weiteren Leichen oder auf eine sexuelle Komponente – Sex sorgte für hohe Auflagen und Einschaltquoten bei den Nachrichtensendungen.
»Mitglieder der Jury«, begann Goode, »dies war ein langer, strapaziöser Prozess. Und die Verteidigung hat nur wenig entlastendes Material eingeführt, abgesehen von den eigenen Zeugen und einer langen verzwickten Geschichte. Und wenn die Zeit der Entscheidung, ob Mr. Nolan schuldig ist oder nicht, naht, werden Sie gebeten, dieser Geschichte Glauben zu schenken.
Es scheint fast so, als würde die Beweisführung der Verteidigung einzig und allein auf der Annahme beruhen, dass Mr. Nolan ein Manuskript in die Hände gefallen war – ein Tagebuch, wenn Sie so wollen, mit ausführlichen Tageseinträgen eines Psychopathen, der sich ›Mr. Arnold« nannte. Man hat uns gebeten zu glauben, dass dieser Mann Ende sechzig war, und ich bezweifle, dass die Anklage der Behauptung, er sei gebrechlich gewesen, widersprechen würde. Er sah aus wie ein Obdachloser, und soweit bekannt ist, lebte er tatsächlich auf den Straßen von Los Angeles. Und dieser Mann, so wollte man uns einreden, soll zwei schwere Holzpfähle auf dem Rücken zu seinem Fahrzeug geschleppt, aufs Land transportiert, fest in die harte Erde geschlagen und zwei gesunde Menschen gekidnappt, an die Pfähle gefesselt, gefoltert haben, um schließlich ein Grab für beide auszuheben und sie zu beerdigen.
Und derselbe gebrechliche alte Mann hat angeblich einen komplizierten Windmühlenmechanismus auf einem hohen Wasserturm installiert, Bruce Major entführt, ihn sich über die Schulter geworfen und auf einer wackeligen Leiter hinaufbugsiert. Danach soll er den Mann kopfüber an eine Kette gehängt haben, so dass er nur wenige Zentimeter über der Wasseroberfläche hing. Diesem Mann unterstellt der Strafverteidiger auch, Phoebe Blasé die Zähne mit einer Kneifzange gezogen zu haben.« Er hielt inne, um seinen Worten Wirkung zu verleihen. »Ich könnte endlos so fortfahren, aber ich bin überzeugt, dass Sie verstanden haben, worum es mir geht. Wie soll ein alter Mann all diese anstrengenden Dinge verrichtet haben?«
Goode näherte sich den Geschworenen und sagte: »Ich behaupte hingegen, dass Mr. Nolan derjenige war, der diese Kraftakte ausgeführt hat, denn Kraftakte waren es ganz gewiss. Mr. Nolan ist ein gesunder, starker Mann. Konnte er diese schrecklichen Verbrechen begangen haben? Ziemlich sicher.
Die Verteidigung wollte Sie glauben machen, dass Mr. Nolan nicht mehr verbrochen hat, als sich Mr. Arnolds Tagebuch anzueignen. Er sagt, dass ihm dieses Vergehen schrecklich leidtut; es tut ihm auch leid, dass er die Angehörigen der Opfer im Ungewissen gelassen und ihnen verschwiegen hat, wo die Ermordeten begraben sind. Und es tut ihm sehr leid, dass er seine Frau belogen hat. Und höchstwahrscheinlich tut es ihm auch leid, dass er hier vor Gericht die Unwahrheit gesagt hat.«
Leadbeater stand auf. »Einspruch, Euer Ehren.«
»Stattgegeben«, entschied der Richter. »Die letzte Bemerkung wird aus dem Protokoll gestrichen.«
»Ich bitte um Entschuldigung«, sagte Goode kein bisschen reumütig. »Wir haben hier einen Angeklagten, der eine interessante und kreative Neigung zum Lügen hat. Wir wissen, dass er die Polizei immer und immer wieder belogen und sogar seiner eigenen Frau die Unwahrheit über diesen Fall aufgetischt hat. Die Frage ist: Lügt er jetzt auch? Höchstwahrscheinlich.
Als Mr. Arnold vom Dach des People’s Bank Building stürzte – oder besser gestoßen wurde –, wo war da Mr. Nolan?« Goode sah einem Geschworenen nach dem anderen in die Augen. »Nun, er war auch auf dem Dach, stand hinter Mr. Arnold.« Goode lächelte. »Er hat ihn nicht in den Tod gestoßen – natürlich nicht. O nein! Er war einfach nur dort, weil Mr. Arnold ihn angerufen und gesagt hatte, dass er an diesem Tag Selbstmord begehen würde. Deshalb ist Mr. Nolan hingefahren, um ihm das Vorhaben auszureden. Unsinn, würde ich sagen.«
Wieder ein Einspruch von Leadbeater, dem stattgegeben
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