Traummoerder
schlechtes Zeichen war.
»Wie sollen wir jemals von hier weggehen und woanders neu anfangen? Der Immobilienmarkt ist so flau, dass wir für unser Haus höchstens eine Million bekommen, wenn wir jetzt verkaufen. Aber ich muss weg von hier. Was sollen wir machen?«
»Wir müssen in erster Linie an Virginia denken«, entgegnete Neela. Die Untersuchungen hatten bestätigt, dass sie ein Mädchen erwartete. »Uns bleiben nur noch ein paar Monate, bis sie auf die Welt kommt. Wir müssen stark sein, wenn sie da ist.«
Sie setzte sich auf Dermots Schoß, und er nahm sie in die Arme.
»Ich muss mich wegen so vieler Dinge entschuldigen und am meisten bei dir.«
»Nicht nötig, Liebling. Ich weiß, wie verzweifelt du warst und dass du mich nur belogen hast, um mich zu schützen.«
»Darüber bin ich froh.« Er strich ihr übers Haar. »Ich wünsche mir so sehr, dass Virginia stolz auf mich sein kann, Neela.«
»Aber du hast nichts Furchtbares getan.«
»Ich habe mich wie ein Charakterschwein verhalten.«
»Die Leute verstehen einfach nicht, unter welchem Druck du gestanden hast.«
»Neela, ich würde gern öffentlich um Verzeihung bitten. Darüber denke ich schon eine ganze Weile nach. Schon viele mehr oder weniger Prominente haben das versucht, aber selten viel Sympathie gewonnen. Darauf bin ich auch nicht aus. Ich möchte nur allen sagen, wie leid mir das tut, was ich gemacht habe. Das wäre für mich eine Art Katharsis. Vielleicht bin ich danach in der Lage, den nächsten Schritt zu tun und ein besserer Mensch zu werden.«
Neela dachte ein paar Tage über Dermots Anliegen nach, dann setzte sie sich mit einem Bekannten vom CNN in Verbindung. Der Bekannte schlug für Dermot ein Interview bei Jack Duggan in der Sendung Up Very Close vor. Während des Interviews konnte er sich bei den Familien der Opfer entschuldigen und aller Welt zeigen, dass er echte Reue empfand.
Der Termin wurde festgesetzt, das Interview durchgeführt und zwei Wochen später gesendet. Der Wortwechsel war hart, aber ehrlich – das war Duggans Stil. Dermot erklärte, unter welchen Druck er geraten war und dass er unter einer Schreibblockade gelitten hatte. Duggan konterte unumwunden mit dem Argument, dass Stress kein ausreichender Grund war, einem anderen ein Manuskript zu stehlen und es als eigenes auszugeben oder der Polizei Kenntnisse über Morde vorzuenthalten.
Dermot stimmte ihm zu. »Im Rückblick bin ich selbst fassungslos, dass ich so gehandelt habe. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie leid mir das alles tut. Meine Bitte um Verzeihung richtet sich hauptsächlich an die Opfer und deren Familien.«
»Wie sind Ihre Pläne für die Zukunft, Mr. Nolan? Werden Sie weiter schreiben?«
»Das bezweifle ich sehr. Ich kann mir nicht vorstellen, dass viele Menschen ein weiteres Buch von mir lesen möchten – und ich habe vollstes Verständnis dafür.«
Sechs Wochen gingen ins Land. Ein griechischer Geschäftsmann kam und besichtigte das Haus, weil er es eventuell kaufen wollte. Er machte ein Angebot, das jedoch viel zu niedrig war. Dermot und Neela lehnten ab.
An dem Abend, an dem sich der Grieche meldete, um ihnen zu eröffnen, dass er nach Athen zurückkehren und deshalb sein Angebot zurückziehen musste, bekam Dermot den Anruf vom The New Yorker. Die Redaktion des Magazins hatte entschieden, Dermot Nolan die Hand zu reichen. Sie baten ihn, eine Artikelserie unter dem Titel Der Umgang mit der Einsamkeit zu verfassen. Sie hatten gehört, dass Dermot vor Jahren spurlos verschwunden und einige Zeit später mit einem Manuskript für einen Bestseller zurückgekommen war. Und jetzt fragten sie sich, ob ihm das noch einmal gelingen könnte, wenn sie ihm eine ähnliche Umgebung wie damals boten. Er würde der Zeitschrift monatlich einen Artikel liefern und über das Leben allein in einer entlegenen Gegend von Papua-Neuguinea schreiben. Jeden Monat würde ein Bote mit Helikopter den handgeschriebenen Artikel abholen.
»Eine phantastische Idee, Neela! Stell dir das vor! The New Yorker
Neela brachte ein Lächeln zustande – sie freute sich für Dermot, aber sie dachte auch an Virginia.
»Liebling, ich bekomme ein Baby, schon vergessen?«
Er nahm sie in die Arme und passte auf, dass er das Baby nicht zu sehr drückte. »Ich werde rechtzeitig zurück sein. Vertrau mir-ich würde nicht einmal für den Nobelpreis auch nur eine Minute versäumen wollen.«
Kapitel 67
Dermot saß in einem Taxi auf dem Weg zum Flughafen, als ihn der Anruf erreichte.
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