Traummoerder

wurde.
    »Ich ziehe die letzte Bemerkung zurück«, gab Goode mit einem breiten Grinsen nach. »Kommen wir also zu den Neuigkeiten des Tages.« Er stützte sich auf die Lehne seines Stuhls und holte ein paar Mal tief Luft. »Wir wissen jetzt, wer Mr. Arnold in Wirklichkeit war. Ein Journalist namens Jeffrey Schipp hat herausgefunden, dass Mr. Arnold tatsächlich ein alter Mann war, der in Wahrheit Christopher Sheldon hieß. Er wurde erst vor kurzem aus einer psychiatrischen Klinik entlassen, in der er seit seinem fünfundzwanzigsten Lebensjahr gelebt hatte und behandelt wurde. Aber jetzt kommt’s: Mr. Sheldon hatte die geistige Kapazität eines Zehnjährigen!«
    Leadbeaters Miene blieb stoisch.
    »Und? Bleibt die Verteidigung nach wie vor dabei, dass dieser einfältige Mensch ein Manuskript geschrieben hat? Oder werden sie einräumen, dass jemand anderes das Tagebuch verfasst hat? Ein Komplize vielleicht? Sollten die Verteidiger das behaupten, machen sie sich lächerlich.«
    Goodes Plädoyer dauerte bereits vierzig Minuten, als die Tür aufging und ein Kollege hinter Goodes Stuhl Platz nahm und aufgeregt Zeichen gab.
    »Euer Ehren, gestatten Sie, dass ich mit meinem Kollegen spreche?«, fragte Goode höflich.
    »Bitte – ich gebe Ihnen eine Minute, Mr. Goode.«
    Auf der Galerie wurde getuschelt und geraunt, während sich die beiden Vertreter der Staatsanwaltschaft berieten.
    »Ich bitte um die Erlaubnis, mich der Richterbank zu nähern, Euer Ehren«, sage Goode schließlich.
    Richter Crowe winkte Goode und Leadbeater zu sich, und Goode berichtete von dem Mord an Detective Mike Kandinski. »Darf ich im Lichte dieser Entwicklung darum bitten, dass die Sitzung vertagt wird, Euer Ehren?«
     
    Goode und Leadbeater kehrten nach einer Stunde Pause in den Gerichtssaal zurück. Goode setzte Richter Crowe in Kenntnis, dass die Anklage gegen Dermot Nolan in allen Punkten fallen gelassen wurde. Crowe erklärte Dermot zum freien Mann. Neela fing an zu schluchzen. Nolan lächelte Tim Leadbeater an und umarmte ihn. Zu dem Zeitpunkt hatte er noch keine Ahnung, wem er eigentlich dankbar sein musste.

Kapitel 66
    Der Medienrummel nach Dermot Nolans Freilassung war noch größer als bei seiner Verhaftung. Fernsehkanäle und Kabelsender zogen ihre eigenen Schlüsse aus dem Geschehen – eine fallen gelassene Anklage war kein Freispruch.
    Natürlich berief Dermots Verteidigerteam unverzüglich eine Pressekonferenz ein und gab sich redlich Mühe zu erläutern, dass die Enthüllungen, die mit dem Mord an Detective Kandinski – durch die Hand des wahren Killers – einhergingen, ihren Mandanten in allen Anklagepunkten entlasteten.
    Dermot und Neela fiel ein riesiger Stein vom Herzen. Allerdings wussten sie auch, dass ihr Leben nie wieder so sein würde wie früher. Ihnen würde nur wenig oder gar kein Geld mehr bleiben, nachdem sie die Honorare von Leadbeater und Fountain bezahlt hatten. Noch viel angsteinflößender war jedoch, dass Kandinskis Mörder, der echte Serienkiller, immer noch auf freiem Fuß war. Die Feier im Haus der Nolans fiel ziemlich dezent aus. Den Champagner in Strömen fließen zu lassen würde nach dem Mord an Mike von schlechtem Geschmack zeugen. Aber Neela nutzte die Gelegenheit, um Dermot ein Geheimnis zu verraten. Sie war wieder schwanger.
     
    Einige Wochen vergingen. Dermot und Neela überprüften jeden Morgen und jeden Abend die Schlösser aller Türen und Fenster. Beide schliefen nicht gut, und sie blieben so gut wie immer in Sichtweite des anderen, gingen zusammen zum Einkaufen und führten Scarecrow gemeinsam aus. Sie überlegten, ob sie Sicherheitsleute anheuern sollten, entschieden sich aber dagegen, weil ein Bodyguard ihre Privatsphäre stören würde.
    Im Laufe der Zeit verwandelte sich die anfängliche Freude, ein freier Mann zu sein, in das schreckliche Gefühl der Nutzlosigkeit. Dermot war gelangweilt und lustlos. Die Medikamente gegen die Depression wirkten nicht gegen die Stimmungsschwankungen. Sein Arzt schlug vor, die Dosis zu erhöhen.
    Nick tat, was er konnte, um die Nolans aufzuheitern – er arrangierte einen Bootsausflug zur Catalina Island und einen Helikopterflug nach Mammoth. Die Nolans hätten auch ins Ausland reisen können, um dem öffentlichen Interesse zu entfliehen, hätten nicht medizinische Bedenken wegen der Schwangerschaft bestanden.
    Eines Abends fand Neela ihren Mann im Arbeitszimmer. Er starrte ins Leere und hatte sich am Morgen nicht rasiert. Sie wusste, dass das ein