Traummoerder
diese Geschichten überhaupt aufgeschrieben hatte. Neela hatte recht – die Geschichte an sich, in nüchterner, grober Sprache erzählt, war das schaurige und doch notwendige Element. Die Tatsache, dass ein lebender Vertreter der Menschheit solche Dinge wie Arnold tat, war unfassbar.
Einige Minuten herrschte Schweigen. »Und was soll ich jetzt machen? Ich bin am Ende.« Er klang niedergeschlagen.
»Nein. Das bist du nicht! Ich habe die Lösung!«
Dermot starrte weiterhin betrübt auf den Boden. Er glaubte keinen Moment, dass seine Frau die Sache schnell in Ordnung bringen konnte. »Okay. Ich höre.«
»Du kopierst Arnolds Manuskript. Wort für Wort. Kein Psychologe, kein Killer namens Lund. Das Einzige, was du hinzufügst, ist der Albtraum, den du beschrieben hast.«
Dermot sah auf. »Dir gefällt er?«
»Selbstverständlich gefällt er mir. Er ist ungeheuer gruselig – insbesondere weil du Arnold deine eigenen Visionen in den Mund gelegt hast.
Dermot schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, Neela. Ich weiß wirklich nicht. Das Machwerk umzuschreiben hat mir das Gefühl gegeben, wenigstens ein bisschen Anteil daran zu haben. Aber den Text einfach zu kopieren …« Er brach ab.
Neela wusste, dass er recht hatte. Sie hatte stundenlang gegrübelt, wie Dermot das Buch zu seinem eigenen machen konnte, ihr war aber nichts eingefallen. Sie ging zu ihrem Mann, setzte sich auf die Armlehne, schlang die Arme um ihn und drückte seinen Kopf an ihre Brust.
»Sieh mal, Liebling, ich habe dir gesagt, was ich von deinem Werk halte. Alles andere ist allein deine Sache. Möglicherweise liege ich mit meiner Meinung auch komplett daneben, und Esther ist begeistert von deinem Entwurf. Aber ich muss doch meine Ansicht ehrlich äußern, auch wenn es, um in der Sprache der Horrorgeschichten auszudrücken, nicht mehr ist als ein Schmetterlingskuss für einen Bondagefreak.«
Dermot lachte trotz seiner Weltuntergangsstimmung. »Ein lustiger Vergleich.«
»Warum versuchst du es nicht mit meinem Vorschlag? Ich tippe alles ab und füge deine speziellen Ergänzungen ein. Dann lies es dir durch und sag, was du denkst.«
Dermot schwieg.
»Du hast keine andere Wahl, Liebling«, fuhr Neela fort. »Tut mir leid, wenn ich zu direkt bin, aber du hast Esther ein Versprechen gegeben. Und sie hat es an Dan weitergeleitet. In achtundvierzig Stunden machen sie uns die Hölle heiß, und wir müssen ihnen irgendetwas geben. Überarbeiten können wir den Text später immer noch.«
Dermot löste sich aus Neelas Umarmung und hielt ihre Hand. »Okay, schreib es ab.«
»Du denkst, dass ich recht haben könnte?«
»Ich weiß, dass du recht hast. Diese Scheiße geht über meinen Horizont. Das wusste ich von Anfang an, aber ich habe versucht, mir etwas vorzumachen, weil ich so verzweifelt war. Wenn du meinst, dass wir damit durchkommen und die Leser mich für klug genug halten, Arnolds Sprache als literarisches Stilmittel zu nutzen – dann legen wir los. Es ist unsere letzte Option. Sei nur vorsichtig mit all den neuen Namen und Orten. Und meinem zusätzlichen Albtraum.«
»Wird gemacht.«
Er war noch wach, als Neela um sechs Uhr morgens beschloss, sich ein wenig Schlaf zu gönnen. Sie wirkte erschöpft, und keiner von beiden war in der Stimmung für Sex. Neela schlief nach nicht einmal zehn Minuten tief und fest. Dermot lag mit geschlossenen Augen neben ihr und dachte darüber nach, was ihm in den letzten vierundzwanzig Stunden widerfahren war. Wie war es möglich, dass er eine halb verrottete Melone für einen Menschenkopf gehalten hatte? Und wenn ihm das jetzt passiert war, könnte er sich dann auch mit Bruce Majors Kopf geirrt haben? Und die Zahnfragmente? Waren das vielleicht nur winzige Scherben einer Keramikvase?
Er riss die Augen auf, und sein Herz fing an zu rasen. Die Zähne. Was hatte er mit ihnen gemacht? Er hatte sie in die Tasche seines karierten Hemdes gesteckt und die Tasche zugeknöpft, damit sie nicht herausfallen konnten. Aber was, wenn Neela das Hemd inzwischen gewaschen hatte?
Er schlüpfte leise aus dem Bett, tapste zum Schrank und stöberte in seinen Kleidern, bis er auf das karierte Hemd stieß, das er bei seiner Suche nach der »Zahnarztscheune« angehabt hatte. Es war frisch gewaschen, genau wie er es befürchtet hatte. Er knöpfte die Tasche auf und tastete sie ab. Die Fragmente waren noch da! Wundersamerweise hatten sie die Waschmaschine und das Bügeleisen unbeschadet überstanden.
Dermot nahm ein Stück nach
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