Traummoerder
kannst ein Mittagessen bei Traxx spendieren, wenn du das Manuskript eingereicht hast.«
»Das wird mir ein Vergnügen sein«, erwiderte Dermot. »Es gibt noch einen Ort, den ich mir nicht angesehen habe.«
»Welchen?«
»Die Stelle ist bei Bakersfield. Mr. B.«
»Ist das der mit der Agoraphobie? An den erinnere ich mich gut. Willst du nach Bakersfield fliegen, nur um im roten Staub spazieren zu gehen?«
»Klar. Warum nicht? Es ist Recherche.«
»So ist’s richtig«, entgegnete Nick mit einem breiten Grinsen.
Der Flug von Burbank zum Meadows Field Airport dauerte nicht allzu lange. Dermot hatte im Voraus einen Geländewagen bei Hertz reserviert, der schon am Flughafen bereitstand. Er stieg ein, fuhr in die Stadtmitte und befolgte Arnolds Anweisungen. Die Fahrt kostete Dermot nur vierzig Minuten, und als der Tacho fünf Meilen anzeigte, blieb er stehen und sah sich um. Kein Baum und kein Busch war in Sicht – gar nichts. Er dachte an Mr. B. Für jemanden, der Angst vor freien Plätzen hatte, musste diese Landschaft die reinste Hölle sein. Dermot stellte sich vor, wie diese Ebene nachts aussehen musste. Majestätisch für jeden normal veranlagten Menschen – der weite funkelnde Sternenhimmel und die Stille. Aber für Mr. B?
Hier war kein Leichnam. Dermot konnte bis zum Horizont sehen, also entging ihm auch nichts.
Er ging ein Stück weiter. Plötzlich fiel sein Blick auf etwas Glitzerndes auf der Erde. Es war ein Stück Kette ähnlich einem Hundehalsband, das mit einer stabileren Kette verbunden war. Die wiederum war an einem flachen liegenden Betonblock befestigt, der vor längerer Zeit in die staubtrockenen Erde eingelassen worden war. War Mr. B hier gestorben? Wenn ja, wo war sein Leichnam? Er konnte kaum hier irgendwo begraben sein. Die Erde war so hart, dass jeder Spaten abgebrochen wäre.
Er war der schlimmste Fall von Agoraphobie, der mir jemals begegnet ist. Der arme Teufel hatte seit vier Jahren sein Haus nicht mehr verlassen. Für diesen Burschen war es ein Albtraum, in einer offenen Tür zu stehen. Man stelle sich das vor! Mit dem Kerl musste ich mir wirklich etwas einfallen lassen.
Die Fahrt war magisch. Der Weg nach Bakersfield war weit, aber jede Mühe wert. Alle paar Stunden musste ich stehen bleiben und ihm eine Spritze verabreichen. Das Amüsante an allem war, dass er jedes Mal durchdrehte, wenn ich den Kofferraum aufmachte. Ihm war es lieber, eingeschlossen zu sein. Aber, hey, das ist die Agoraphobie!
Schließlich kam Arnold zu der Stelle, an der Dermot jetzt stand.
Er war ohne Bewusstsein, als ich ihn aus dem Kofferraum hob. Es war eine wunderschöne Nacht. Kühl und absolut windstill. Die Sterne leuchteten wie Millionen Glühwürmchen. Ich legte Mr. B das Metallhalsband an und befestigte es an einer etwa drei Meter langen dickeren Kette. Dann fädelte ich das Ende dieser Kette durch einen Ring an der Betonplatte und sicherte alles mit Vorhängeschlössern. So brauchte ich Mr. B ’s Hände nicht zu fesseln und konnte ihm zusehen, wie er sich zu befreien versuchte. Ich würde beobachten, wie er losrennt und am Ende der Kette von den Beinen gerissen wird.
Dermot betrachtete die rostige Kette.
Ich ließ ihn dort zurück. Kein Mensch würde ihn finden. Nicht dort draußen. Er konnte schreien, bis ihm die Lunge platzte.
Dermot schaute sich um. Das stimmte. Wenn Mr. B hier angekettet gewesen war, hätte er schreien können, bis er verdurstet war. Aber warum lag hier keine Leiche? Weil es kein Opfer gab, redete er sich ein. Weil es nur ein Szenario war.
Die Sonne wurde unerträglich heiß, deshalb ging Dermot zurück zu seinem SUV und stieg ein. Zwei Stunden später war er wieder in Los Angeles – einigermaßen verwirrt. Scarecrow begrüßte ihn an der Haustür. Der Hund hatte ihn vermisst. Genau wie Neela.
Kapitel 31
»Ich sage Ihnen, Esther«, erklärte Wasserman, »dies ist etwas ganz anderes. Worst Nightmares ist das originellste Buch dieser Art, das ich seit Catch 22 gelesen habe. Und sehen Sie sich an, wie viel Geld das eingebracht hat!« In Wassermans Vorstellung waren Verkaufszahlen der Maßstab für Literaturpreise. »Es ist, als würde man das Tagebuch eines Irren lesen. Es ist krank, das ja, bietet aber einen faszinierenden Einblick in die Denkweise eines eiskalten Killers. Nur Nolan konnte so was zustande bringen.«
»Das macht ihn zum Genie«, bestätigte Esther.
Wasserman hatte nicht viel für intelligente Lektüre übrig, deshalb war Nolans Ausflug in den
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