Traummoerder
davon, sobald er die Hände danach ausstreckte.
Er watete weiter, bis ihm das Wasser bis zur Taille reichte. Ihm wurde nicht einmal gewahr, dass das Wasser seine Hosentaschen durchflutete – er konzentrierte sich nur auf den halb verwesten Kopf, der aufs Meer hinaustrieb.
Sein rechter Fuß trat am Ende der Sandbank ins Leere, und er tauchte vollkommen unter und griff nach dem Schädel. Diesmal bekam er ihn zu fassen und hielt ihn fest, während er sich an die Oberfläche kämpfte und keuchend Luft holte.
»Hier! Geben Sie mir Ihre Hand!«, rief jemand am Ufer.
Ein junger Mann streckte ihm die Hand entgegen. »Kommen Sie!« Kurz darauf wurde Dermot aus dem Wasser gezogen. Scarecrow leckte ihm das Gesicht ab, als er erschöpft im Sand lag.
»Sind Sie vom Pier gestürzt?«, wollte ein kleiner glatzköpfiger Mann wissen. »Fehlt Ihnen auch nichts?«
»Ich glaube, ihm ist etwas ins Wasser gefallen«, erklärte ein anderer und deutete auf die Honigmelone, die Dermot noch immer in der linken Hand hielt.
Dermot warf einen Blick darauf. Seine Finger hatten sich tief in das aufgeweichte Fruchtfleisch gebohrt. Er schrie auf und schüttelte angewidert das Ding von seiner Hand. Als es im Sand lag, starrte er es entgeistert an. Es ähnelte nicht im mindesten einem menschlichen Kopf. Es sah nicht einmal mehr aus wie eine Melone. Dermot kam sich vor wie ein Idiot. Ein Junge fing an zu kichern und zeigte mit dem Finger erst auf die Melone, dann auf Dermots Kopf.
»Sie sollten Ihre Taschen untersuchen, mein Freund«, empfahl ein älterer Herr. »Überprüfen, ob Sie nicht ihre Brieftasche im Wasser verloren haben.«
Dermot vergewisserte sich, ob sie noch da war. Dann erhob er sich. »Vielen Dank. Ich weiß Ihre Hilfe sehr zu schätzen. Wahrscheinlich stand ich zu nah am Rand. Eine dumme Sache. Ich habe das Gleichgewicht verloren. Aber mir fehlt nichts. Alles bestens.«
Die Menge zerstreute sich. Die meisten dachten, dass er den Verstand verloren hatte, das war ihren Gesichtern anzusehen. Und in diesem Augenblick musste er ihnen beinahe recht geben.
Eine Melone, um Himmels willen! Aber sie hatte ausgesehen wie Bruce Majors Kopf. Jede Nacht suchten ihn die Toten aus dem Tagebuch in seinen Träumen heim. Er hatte es mit Valium, Schlaftabletten, viel Alkohol – mit allem – versucht. Nichts half. Immer wieder schreckte er schreiend aus dem Schlaf, und Neela umarmte ihn, bis er wieder einschlief. Sie wusste nichts von seinen Dämonen, die während seines Schlafs die Kontrolle über seinen Verstand übernahmen.
Dermot setzte sich, und Scarecrow ließ sich pflichtbewusst zu seinen Füßen nieder. Allmählich normalisierte sich seine Atmung, und die Sonne trocknete seine Klamotten. Die Blicke, die ihm Passanten zuwarfen, registrierte er gar nicht. Scarecrow trottete davon, um sich an einem Poller zu erleichtern, dann kam er zurück und legte sich neben Dermot, um die Sonne zu genießen.
Um drei Uhr fuhren er und der Hund nach Hause. Neela saß noch im Arbeitszimmer, machte sich Notizen auf einem Block, als Dermot hereinkam.
»Was, zum …?«
»Frag nicht. Scarecrow ist vom Pier gefallen. Ich konnte ihn ja nicht gut absaufen lassen.«
Neela betrachtete den Hund. Sein Fell war staubtrocken, während Dermots Kleider noch feucht und knittrig waren. »Okay«, gab sie ein wenig verwirrt zurück. »Willst du dich umziehen? Wenn du wieder runterkommst, können wir uns über den Roman unterhalten.«
Dermots Herz wurde schwer. Er konnte in Neelas Gesicht lesen wie in einem offenen Buch, und er wusste sofort, dass irgendetwas nicht stimmte.
»Was ist los?«
Sie musterte ihn und suchte nach den richtigen Worten.
»Neela, du findest es schrecklich, hab ich recht?«
»Sei nicht albern, Liebling. Ganz und gar nicht. Ich finde es nicht schrecklich … verdammt, musst du immer so übertreiben?«
»Okay. Du findest es also nicht richtig schrecklich. Aber es gefällt dir auch nicht, stimmt’s? Das genügt mir. So wie ich es sehe, hasst du es.«
»Lass mich doch erst mal ausreden. Hör dir an, wie ich über den Roman denke, okay?«
»Gut, schieß los. Ich setze mich hin wie ein artiger Junge, und du kannst mir alles sagen. Ich verspreche, dich nicht zu unterbrechen.«
Neela glaubte ihm nicht. »Nein, natürlich tust du das nicht«, murmelte sie sarkastisch.
»Ehrlich.«
Neela nahm ihren Block in die Hand. »Hör zu, ich hab die letzten beiden Kapitel noch nicht durch. Aber gerade jetzt habe ich das Gefühl, dass die Spannung
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