Traummoerder
dem anderen heraus, spähte zu Neela, um sich zu vergewissern, dass sie noch schlief, dann schlich er hinunter ins Arbeitszimmer und knipste die Schreibtischlampe an, in deren Schein er die winzigen weißen Splitter in seiner Hand betrachtete. Es konnte kaum ein Zweifel bestehen, dass sie einmal echte Zähne oder Zahnkronen gewesen waren. Er nahm ein Kuvert aus der Schreibtischschublade und ließ die Stücke hineingleiten; schließlich verstaute er den Umschlag in der dritten Schublade von oben unter einer Schachtel mit Malkreide. Dann ging er wieder ins Bett. Neela schlief zum Glück noch immer.
Neelas Wecker schrillte um Viertel nach sieben. Bis dahin hatte sich Dermot klargemacht, dass er seine Bürde mit jemandem teilen musste. Entweder das, oder er wurde verrückt. Aber Neela zu erzählen, was er entdeckt hatte, kam nicht in Frage. Er musste sich Nick anvertrauen.
Dermot traf Nick um zehn Uhr morgens in Bill’s Corner Place. Die Zeit passte Nick ganz gut, denn er hatte später eine Verabredung in einer großen Firma, deren Manager eine Skulptur aus massiver Bronze für das Atrium suchte. Dermot war einverstanden, weil er dem ständigen Geklapper auf der Computertastatur entgehen wollte.
»Wie viel?«, fragte Dermot, als der Kaffee und das Gebäck auf dem Tisch stand.
»Die Plastik? Stephen wollte hunderttausend ausgeben, also hab ich die Hälfte mehr verlangt. Das macht es ihm leichter, meine vierzig Prozent Provision rauszurücken.«
»Vierzig Prozent?« Dermot staunte. »Du machst Witze.«
»Nein. Das ist üblich. Was wäre dir lieber – nichts oder sechzig Prozent von hundertfünfzig Riesen?«
Nick studierte Dermot. Trotz seiner Bemühungen, sich ruhig zu geben, sah Nick, dass er ungeheuer nervös war.
»Jetzt raus damit, wie kann ich dir helfen?«, fragte Nick.
Dermots Verlegenheit sprach Bände. »Ich muss dich nach deiner Meinung fragen …«, er zögerte,« … in einer moralischen Angelegenheit.«
»Es geht um das Tagebuch, habe ich recht?«
»Wie kommst du darauf?«
»Ich weiß, dass ich kein Genie bin, aber dumm bin ich auch nicht. Stell mir die Frage, und ich sage dir, was ich an deiner Stelle tun würde.«
»Das wäre großartig.«
Dermot sah sich verstohlen um. Die beiden unmittelbaren Nachbartische waren nicht besetzt, dennoch senkte er die Stimme.
»Die Sache ist die – ich habe noch nicht einmal mit Neela darüber gesprochen, und es liegt mir schwer im Magen.«
»Aber du musst mit jemandem über alles reden, nicht wahr? Also, was verheimlichst du deiner Frau?«
»Bisher hat es nie etwas gegeben, das ich Neela nicht erzählen konnte. Aber jetzt ist etwas geschehen … ich zögere, mich ihr anzuvertrauen, weil ich Angst habe, dass sie die Achtung vor mir verlieren könnte. Wenn es einmal so weit ist, kann man den Respekt nie zurückgewinnen.«
»Ich bin sicher, sie respektiert dich, was immer du auch getan hast. Es gibt nicht viel, das daran etwas ändern kann.«
Dermot hielt eine Hand hoch. »Danke. Aber lass mich erst erzählen.«
»Okay, ich höre.«
Dermot sah dem Freund direkt in die Augen. »Ich habe Neela belogen, als ich sagte, ich hätte bei meinem zweiten Ausflug nichts gefunden.«
»Was genau hast du ihr verheimlicht?« Nick war nachdenklich geworden.
»Ich habe ihr weisgemacht, ich hätte nichts gefunden, was darauf hinweisen könnte, dass Arnolds Tagebuch auf Tatsachen basiert.«
»Aber du hast etwas gefunden, oder?«
»Ja.«
Nicks Miene wurde ernst. »Was hast du gefunden?«
»Ich hatte Bedenken … Nein, Neela hatte Bedenken, dass die Zahnfee noch leben könnte. Vielleicht eingesperrt in der Scheune, die Arnold beschrieben hat.«
»Er hat nicht behauptet, dass er sie getötet hat, oder?«
»Nein, das hat er nicht. Wir beide hielten es für angebracht, Nachforschungen anzustellen.«
»Und?«
»Nun, da waren klare Hinweise darauf, dass an der Stelle, die Arnold angeben hat, einmal eine Hütte gestanden hat.«
»Ja und?«
»Ich habe einige … Bruchstücke gefunden.«
»Bruchstücke? Wovon?«
»Weiße Splitter. Sie sehen meiner Ansicht nach aus wie Stücke von menschlichen Zähnen oder Zahnkronen. Und jetzt sag du mir, ob das nur Zufall ist.«
»Hast du diese Splitter noch?«
»Ja. Sie liegen in einer Schublade in meinem Schreibtisch.
»An deiner Stelle würde ich zusehen, dass ich sie loswerde.«
»Ja, wahrscheinlich sollte ich sie verschwinden lassen.«
»Ist das alles?«
»Nein. Ich habe die Angaben über den Plastiktüten-Mann
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