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Traumpfade

Traumpfade

Titel: Traumpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Chatwin
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sie das Gefühl, sie müsse entweder ster ben –oder sehr weit weggehen. Sie traf einen australischen Soldaten, der nett zu ihr war und sie bat, seine Frau zu werden.
    Red brannte darauf, über Spinoza zu sprechen, aber zu meiner Schande hatte ich nur in seiner Ethik geblättert, und unser Gespräch war eine Abfolge stockend vorgebrachter, sang- und klanglos endender Argumente. Mein Auftritt war mit dem Arkadys überhaupt nicht zu vergleichen.
    Am nächsten Morgen machten Red und ich und ein Mann, der mit ihm aus Popanji gekommen war, uns auf die Suche nach der Planierraupe. Wir fuhren langsam quer über Land in die Richtung, die Alex angegeben hatte. Sobald wir zu einer Bodenerhebung kamen, hielt Red an und holte sein Fernglas hervor.
    »Nichts von dem Ding zu sehen!« sagte er.
    Dann fuhren wir durch eine Senke zwischen zwei flachen Bergen; auf der anderen Seite angekommen, riefen wir einstimmig: »Planierspuren!«
    Hatten die sich einen Spaß gemacht! Meilenweit vor uns war das Gelände aufgewühlt zu Kreisen, Schleifen und Achter-Figuren.
    Aber wir mochten noch so lange um dieses lächerliche Labyrinth herumfahren, von der Planierraupe war weit und breit nichts zu sehen.
    »Ich glaube, ich werde verrückt«, sagte Red.
    In diesem Augenblick fiel mein Blick auf einen konischen Hügel zu unserer Rechten. Das riesige gelbe Ding stand obendrauf.
    »Sehen Sie!« rief ich.
    »Herr im Himmel!« sagte Red. »Wie zum Teufel haben sie ihn da raufbekommen?«
    Wir stiegen auf den Hügel und fanden die Planierraupe vor: sie war verrostet, die Farbe blätterte ab, ein Busch wuchs aus dem Motorgehäuse heraus, und ein Rad ragte über einen sehr steilen Hang hinaus in die Luft. Kaum zu glauben: die Reifen waren prall aufgepumpt.
    Red kontrollierte den Tank: er war halbvoll. Er kontrollierte den Anlasser, der herausgezogen war. Dann kontrollierte er den Hang auf verborgene Gefahren hin und meinte, daß wir die Maschine vermutlich im Leerlauf in Gang bringen könnten.
    »Clevere Burschen«, sagte er lachend. »Wußten genau, was sie taten!«
    Die Metallteile der Maschine waren höllisch heiß. Red gab mir ein Paar feuerfeste Handschuhe und eine Sprühdose. Meine Rolle bei dieser Operation bestand darin, Äther in den Vergaser zu sprühen, ohne mich selbst zu betäuben.
    Ich knüpfte mir ein Taschentuch um die Nase. Red stieg auf den Fahrersitz.
    »Fertig?« rief er.
    »Fertig!« antwortete ich.
    Er löste die Bremse, und die Planierraupe bewegte sich langsam vorwärts; Zweige knackten. Ich drückte auf die Düse der Sprühdose und ließ nicht los, so als ginge es ums liebe Leben, als wir plötzlich den Hang hinuntersausten und der Motor mit einem Dröhnen ansprang. Red steuerte die Maschine geschickt auf ebene Erde und bremste. Er drehte sich zu mir um und streckte beide Daumen nach oben.
    Er wies den Mann aus Popanji an, sich an das Steuer des Polizeifahrzeugs zu setzen. Ich hockte mich hinten in die Fahrerkabine der Planierraupe. Nach etwa einer Meile überschrie ich das Getöse: »Ob Sie mir einen großen Gefallen tun? Darf ich sie mal steuern?«
    »Klar!« sagte Red.
    Ich fuhr die Planierraupe in die Siedlung. Es war niemand zu sehen. Ich stellte sie an einem Hang hinter Rolfs Wohnwagen ab.
    Jetzt würde ich, wenn ich dem »anderen« Bruce in Alice begegnete, sagen können: »Einen Bulldozer habe ich nicht gefahren, Bru. Aber ich habe eine Planierraupe gefahren.«

     
     
     
    In keinem Land ist die Fülle gefährlicher Tiere größer als im südlichen Afrika.
    Charles Darwin, Die Abstammung des Menschen
    *
    Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.
    Friedrich Hölderlin, Patmos
    *
    Koestlers Gerede vom ursprünglichen »Blutbad« brachte mich auf den Gedanken, daß er, aus erster oder zweiter Hand, die Arbeiten Raymond Darts kennen mußte. Dart war der junge Anatomieprofessor an der Witwatersrand-Universität in Johannesburg, der 1924 die Bedeutung des Taung-Kindes – ein spektakulärer fossiler Schädel aus der Kap-Provinz – erkannt und ihm anschließend den zungenbrechenden Namen Australopithecus africanus, »afrikanischer Südaffe«, gegeben hatte.
    Er kam zu dem richtigen Schluß, daß das Geschöpf etwa ein Meter zwanzig groß gewesen war, daß es aufrecht gegangen war, mehr oder weniger wie ein Mensch; und daß es, obwohl das Gehirn eines ausgewachsenen Exemplars kaum größer als das eines Schimpansen gewesen sein konnte, trotzdem menschliche Merkmale aufwies.
    Die Entdeckung dieses »Missing link«,

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