Traumpfade
englischer Entomologe, der nach Rhodesien ging, um sich an der Schädlingsbekämpfung zu beteiligen. Seine Mutter war Afrikaanderin. Er ist der Urgroßneffe von Eugène Marais, dem Dichter, Naturforscher und Eremiten, dessen Buch Die Seele der weißen Ameise von Maeterlinck plagiert wurde.
Brain hat den echten Naturforscher als »einen Mann, der die Welt liebt«, definiert und glaubt, daß man sich der Natur nur nähern kann, indem man versucht, die Dinge »ohne Filter« so zu sehen, wie sie sind. Der Gedanke an die Anfälligkeit des menschlichen Lebens treibt ihn um, und er sucht immer nach Wegen, es zu schützen.
Er haßt es, in eine einzige Disziplin eingesperrt zu sein, und hat sich zu dem einen oder anderen Zeitpunkt – mit einer gewissen »taoistischen« Selbstverleugnung – in Zoologie, Geologie, Vorgeschichte und Klimatologie vertieft. Er hat über das Verhalten von Affen geschrieben, über Geckos, über Chamäleons und über die Viper der Namibischen Wüste. Sobald er seine Arbeit in Swartkrans abgeschlossen hat, will er sich wieder den Protozoen zuwenden – »diesen einzelligen Vitalitätsbündeln«, die im Brackwasser von Wüstenbrunnen gefunden werden und sich innerhalb weniger Stunden ernähren, reproduzieren und sterben.
Als junger Mann nahm Brain 1955 am Dritten Panafrikanischen Kongreß für Vorgeschichte teil und hörte, wie Raymond Dart seine Theorie über das Blutbad verkündete. Er hatte das Gefühl, der Mensch als Spezies würde verleumdet und war möglicherweise der einzige Anwesende, der wußte, warum.
Er hatte, wie es sich traf, als Bodengeologe die Breccien von Makapansgat untersucht und zweifelte Darts Recht an, jedes Knochenstückchen in der Höhle als Werkzeug oder Waffe zu interpretieren. Wenn Mord und Kannibalismus auch sporadisch im gesamten Tierreich auftraten – gewöhnlich als Reaktion auf Überbevölkerung oder Streß –, so ergab doch die These, daß Mord den Menschen machte, keinen evolutionären Sinn.
Zehn Jahre lang brütete Brain über Darts These, und nachdem er Direktor des Museums geworden war, beschloß er, sich der Angelegenheit anzunehmen.
Im Sterkfontein-Tal befinden sich drei Dolomitgesteinshöhlen, in denen Fossilien von Hominiden gefunden wurden: in Sterkfontein selbst, in Swartkrans und Kromdraai. Sobald er sich davon überzeugt hatte, daß die Bedingungen dort im wesentlichen mit denen von Makapansgat übereinstimmten, machte er sich an die Arbeit.
Jede Höhle ist mit einer Breccie aus Knochen und Sedimenten gefüllt, die in einem Zeitraum von zwei bis drei Millionen Jahren zu Schichten zusammengedrückt wurden. Die Knochen variieren in der Größe zwischen denen eines Elefanten bis zu denen einer Maus. Unter ihnen gibt es mehrere Arten ausgestorbener Paviane und zwei Formen des Australopithecus: in Sterkfontein den früheren, »grazilen« A. africanus, in Swartkrans und Kromdraai dessen Nachkommen, den muskulösen A. robustus.
Es gibt ebenfalls, wenn auch nicht viele, Knochen vom Menschen.
Einige dieser Hominidenknochen weisen tatsächlich Spuren auf, die eindeutig auf ein gewaltsames Ende schließen lassen. Wenn bewiesen werden könnte, daß sie von anderen Hominiden in die Höhle gebracht wurden, würden diese sich der Anklage wegen Mord und Kannibalismus stellen müssen. Wenn nicht, nicht.
Brain unterzog rund 20.000 Knochen einer genauen »forensischen« Untersuchung – um zu bestimmen, wie jeder den Weg in die Höhle gefunden und in seinen gegenwärtigen Zustand geraten war. Einige Knochen waren vielleicht bei Überschwemmungen hineingespült worden. Andere wurden von Stachelschweinen hineingebracht, die bekanntlich Knochen horten und ihre Zähne an ihnen wetzen. Die kleineren Nagetiere sind wohl mit Eulengewölle hineingekommen. Die Knochen der größeren Säugetiere – Elefant, Flußpferd, Löwe – sind wahrscheinlich das Werk aasfressender Hyänen.
Aber nichts davon mindert den generellen Eindruck, daß alle drei Höhlen Lager von Karnivoren waren und daß die überwältigende Mehrheit der Knochen von Tieren stammte, die außerhalb der Höhle getötet und »nach Hause« geschleppt worden waren, um in der Dunkelheit verzehrt zu werden. Die Fossilien waren die weggeworfenen Speisereste.
Auf den Scharfsinn von Brains Methode muß nicht eigens hingewiesen werden. Es sollte nur betont werden, daß alle Antilopenknochen, die Dart als Keulen, Dolche und so weiter bezeichnete, genau jene Teile des Skeletts waren, die eine Raubkatze gewöhnlich
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