Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Traumpfade

Traumpfade

Titel: Traumpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Chatwin
Vom Netzwerk:
Frühstück im Motel nicht vor acht serviert wurde, rannte ich zur Schlucht. Die Hitze breitete sich schon aus. Im frühen Licht waren die Berge braun und voller Furchen.
    Auf dem Weg nach draußen kam ich an dem dicken Mann vorbei, der auf dem Rücken im Wasser des Schwimmbekkens trieb. Auf seinem Bauch war eine Narbe, die wie der Abdruck einer Fischgräte aussah.
    »Einen wunderschönen guten Morgen, Sir!«
    »Guten Morgen«, sagte ich.
    Auf der anderen Straßenseite hatten sich mehrere Aborigine-Familien auf den städtischen Parkanlagen niedergelassen und erfrischten sich unter dem Rasensprenger. Sie saßen nahe genug, um besprengt zu werden, aber nicht so nahe, daß ihre Zigaretten erloschen wären. Ein paar Kinder mit Rotznasen und glänzend-nassen Körpern tobten herum.
    Ich grüßte einen bärtigen Mann, der sagte: »Gut, gut, Mann.« Ich nickte seiner Frau zu, die sagte: »Zieh Leine, du Blutsauger!« und lachend den Blick senkte.
    Ich kam an verdrehten jungen Körpern vorbei, die im »Freizeit- und Fitneß-Center« Gewichte hoben; dann bog ich nach rechts zum Ufer ab und blieb stehen, um ein Schild zu lesen, das in der Nähe einiger Geistereukalyptusbäume hing.
    Registrierte heilige Stätte des Injalka-(Raupen-)Traums
Für alle Fahrzeuge verboten
Bei Beschädigung $ 2000 Strafe
    Es gab nicht viel zu sehen, jedenfalls nicht für einen Weißen: ein kaputter Stacheldrahtzaun, ein paar bröcklige Steine hier und dort und ein Haufen Flaschenscherben im stacheligen Gras.
    Ich rannte weiter und kam zur Schlucht, aber es war zu heiß, um weiterzurennen, deshalb ging ich langsam zurück. Der dicke Mann trieb noch immer im Wasser, und seine dicke Frau trieb neben ihm. Ihr Haar war auf Lockenwickler gerollt und mit einer gekrausten rosa Haube bedeckt.
    Ich duschte und packte dann meine Tasche. Ich packte einen Stapel meiner alten schwarzen Notizbücher hinein. Es waren die Notizbücher für das Buch über die »Nomaden«, die ich aufbewahrt hatte, als ich das Manuskript verbrannte. Einige hatte ich seit mindestens zehn Jahren nicht mehr aufgeschlagen. Sie enthielten einen Mischmasch von nahezu unleserlichen Notizen, »Gedanken«, Zitaten, Skizzen über flüchtige Begegnungen, Reiseaufzeichnungen, Aufzeichnungen für Geschichten … Ich hatte sie nach Australien mitgenommen, weil ich vorhatte, mich irgendwo in der Wüste zu vergraben, weit weg von Bibliotheken und den Werken anderer, und einen neuen Blick auf ihren Inhalt zu werfen.
    Draußen vor meinem Zimmer wurde ich von einem Jugendlichen mit blondem Wuschelhaar und geflickten, verblichenen Jeans angehalten. Er war rot im Gesicht und wirkte sehr aufgeregt. Er fragte mich, ob ich einen jungen Aborigine gesehen hätte: »Einen Jungen mit einer Rastafrisur?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Nun, wenn Sie ihn sehen, sagen Sie ihm, daß Graham beim Bus wartet.«
    »Wird gemacht«, sagte ich und ging hinein, um zu frühstücken.
    Ich hatte meine zweite Tasse abscheulichen Kaffees ausgetrunken, als der andere Bruce hereinkam und seinen Schutzhelm auf meinen Tisch knallte. Ich sagte, daß ich die Stadt verlassen würde.
    »Dann seh’ ich dich also nie wieder, Bru«, sagte er verdrossen.
    »Möglicherweise nicht, Bru«, sagte ich.
    »Na dann, auf Wiedersehen, Bru!«
    »Auf Wiedersehen!« Ich schüttelte ihm die Hand, und er ging davon, um seinen Porridge zu holen.
    Arkady kam um neun in einem braunen Toyota- Land-cruiser vorgefahren. Auf dem Dachgepäckträger waren vier Ersatzreifen und eine Reihe Wasserkanister. Er trug ein frisch gewaschenes Khakihemd, von dem die Uni formabzeichen entfernt worden waren. Er roch nach Seife.
    »Schick sehen Sie aus«, sagte ich.
    »Das wird sich ändern«, antwortete er. »Glauben Sie mir, das wird sich ändern.«
    Ich warf mein Gepäck auf den Rücksitz. Der hintere Teil des Fahrzeugs war voll mit Kisten alkoholfreier Getränke und mit »Eskis«. Ein »Eski«, für »Eskimo«, ist eine Kühltasche aus Polystyrol, ohne die eine Reise in die Wüste undenkbar ist.
    Wir hatten die Todd Street zur Hälfte zurückgelegt, als Arkady bremste, in den Desert Bookstore flitzte und mit einer Penguin-Klassikerausgabe von Ovids Metamorphosen herauskam. »Geschenk für Sie«, sagte er. »Lesestoff für die Reise.«
    Wir kamen zum Stadtrand, vorbei am »Bett-Schuppen« und am »Territory-Abschleppdienst«, und hielten bei einem libanesischen Schlachter an, um Fleisch abzuholen. Der Sohn des Schlachters blickte auf, als wir hereinkamen, und fuhr dann fort,

Weitere Kostenlose Bücher