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Traumpfade

Traumpfade

Titel: Traumpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Chatwin
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Hernando Soundso, Besitzer des Trawlers Soundso, Amadou … Familienname nicht ausgefüllt, beschäftigt hatte … und so weiter.
    »Ich werde nach Villa Cisneros gehen«, sagte er. »Ich werde ein Schiff nach Teneriffa oder Las Palmas auf den Kanarischen Inseln nehmen. Und dort werde ich meinen Beruf ausüben.«
    »Als Seemann?«
    »Nein, Monsieur. Als Abenteurer. Ich will alle Völker und alle Länder der Welt sehen.«
    Unterwegs, zurück von Atar
    Wir waren fünfzehn Passagiere, zusammengedrängt unter dem Verdeck der Ladefläche eines Transporters. Alle waren Mauren, ausgenommen ich und eine in einen Sack gehüllte Person. Der Sack bewegte sich, und das müde, schöne Gesicht eines jungen Wolof kam zum Vorschein. Seine Haut und sein Haar waren mit einer weißen Staubschicht überzogen – wie der Flaum auf blauroten Trauben. Er war verängstigt und sehr aufgeregt.
    »Was ist los?« fragte ich.
    »Es ist aus. Ich bin an der Grenze zurückgeschickt worden.«
    »Wohin wolltest du gehen?«
    »Nach Frankreich.«
    »Warum?«
    »Um meinen Beruf auszuüben.«
    »Was ist dein Beruf?«
    »Das würdest du nicht verstehen.«
    »Doch«, sagte ich. »Ich kenne die meisten métiers in Frankreich.«
    »Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Es ist kein Beruf, den du verstehen würdest.«
    »Erzähl.«
    Schließlich sagte er mit einem Seufzer, der sich gleichzeitig wie ein Stöhnen anhörte: »Ich bin ébéniste. Ich mache bureaux-plats Louis-quinze und Louis-seize.«
    Das machte er tatsächlich. In Abidjan hatte er das Einlegen von Furnierholz gelernt, in einer Möbelfabrik, die dem Geschmack der neuen, schwarzen, frankophilen Bourgeoisie entgegenkam.
    Er besaß zwar keinen Paß, aber er hatte in seinem Gepäck ein Buch über französische Möbel des achtzehnten Jahrhunderts. Seine Vorbilder waren Cressent und Reisener. Er hatte gehofft, den Louvre, Versailles und das Musée des Arts Décoratifs besuchen zu können. Er hatte gehofft, wenn möglich bei einem Pariser »Meister« in die Lehre gehen zu können, weil er annahm, daß es einen solchen Menschen gab.
    *
    London
    Mit Bertie bei einem Händler für französische Möbel. Der Händler hatte Paul Getty eine Reisener-Kommode angeboten, und dieser hatte Bertie um eine Expertise gebeten.
    Die Kommode war über ihren ursprünglichen Zustand hinaus restauriert worden.
    Bertie betrachtete sie und sagte: »Oh!«
    »Nun?« fragte der Händler nach einer langen Pause.
    »Nun, ich würde sie nicht einmal dem Hausmädchen ins Zimmer stellen. Aber für ihn ist sie gut genug.«
    *
     
    Es ist gut, Dinge zu sammeln, aber es ist besser, spazierenzugehen.
    Anatole France
    *
     
    Mein Besitz fliegt mir davon. Wie Heuschrecken ist er auf Reisen und fliegt …
    Klagelied über die Zerstörung von Ur
    *
    Timbuktu
    Der Kellner brachte die Speisekarte:
    Capitaine bamakoise (gebratener Seewolf)
    Pintade grillée
    Dessert
    »Gut«, sagte ich. »Um welche Zeit kann ich essen?«
    »Wir essen um acht.«
    »Gut. Also um acht.«
    »Nein, Monsieur. Wir essen um acht. Sie müssen vor sieben essen … oder nach zehn.«
    »Wer ist wir?«
    »Wir«, sagte er. »Das Personal.«
    Er senkte die Stimme und flüsterte:
    »Ich rate Ihnen, um sieben zu essen, Monsieur. Wir essen alles auf.«
    Das Christentum wurde hier vor ungefähr einem Jahrhundert von Kardinal de la Vigerie – wenn auch nicht persönlich – verbreitet. Er war der Erzbischof von Karthago und Primas von ganz Afrika – ein Kenner von Burgunderweinen, der seine Ordenskleidung bei Jacques Worth anfertigen ließ.
    Unter seinen Vertretern in Afrika waren drei weiße Pater – Paulmier, Boerlin und Minoret –, denen, kurz nachdem sie in der verbotenen Stadt die Messe gelesen hatten, von den Tuareg die Köpfe abgeschlagen wurden.
    Der Kardinal erhielt die Nachricht in seinem Landauer an der Promenade von Biarritz.
    »Te Deum Laudamus!« rief er aus. »Doch ich kann es nicht glauben.«
    »Doch«, sagte sein Informant. »Es stimmt.«
    »Sie sind wirklich tot?«
    »Ja.«
    »Welch eine Freude für uns! Und für sie !«
    Der Kardinal unterbrach seine morgendliche Spazierfahrt und schrieb drei identische Kondolenzbriefe an die Mütter: »Gott hat Sie benutzt, um ihnen das Leben zu schenken, und Gott benutzte mich, um sie als Märtyrer in den Himmel zu schicken. Diese glückliche Gewißheit dürfen Sie haben.«
    *
    In einer Taschenbuchausgabe von Tristram Shandy, die ich im Bücherantiquariat in Alice kaufte, war folgendes auf das Vorsatzpapier gekritzelt:

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