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Traumpfade

Traumpfade

Titel: Traumpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Chatwin
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Dschinn!
    Dann sagt er: »Versuchen wir es mit Elizabeth Arden.«
    *
    Nouakchott, Mauretanien
    Ein ehemaliger Fremdenlegionär, ein Veteran von Din Biën Phu mit grauem Haar en brosse und einem Pferdegebiß, das er gern zu einem Grinsen entblößt, ist aufgebracht, weil die US-Regierung nicht die Verantwortung für das Massaker von My Lai übernehmen will.
    »So etwas wie ein Kriegsverbrechen gibt es nicht«, sagte er. »Der Krieg ist das Verbrechen.«
    Er ist noch aufgebrachter über das Gerichtsurteil, das Leutnant Calley des Mordes an »menschlichen Orientalen« beschuldigte – als müsse das Wort »Orientale« mit »menschlich« genauer charakterisiert werden.
    Seine Definition eines Soldaten lautet so: »Ein Mann vom Fach, der dreißig Jahre lang dafür bezahlt wird, daß er andere tötet. Danach beschneidet er seine Rosen.«
    *
    Verlieren Sie vor allem nicht die Lust dazu, zu gehen: ich laufe mir jeden Tag das tägliche Wohlbefinden an und entlaufe so jeder Krankheit; ich habe mir meine besten Gedanken angelaufen, und ich kenne keinen, der so schwer wäre, daß man ihn nicht beim Gehen loswürde … beim Stillsitzen aber und je mehr man stillsitzt, kommt einem das Übelbefinden nur um so näher … Bleibt man so am Gehen, so geht es schon.
    Sören Kierkegard, Brief an Jette (1847)
    *
    Solvitur ambulando. »Es wird im Gehen gelöst.«
    *
    Atar, Mauretanien
    »Haben Sie die Inder gesehen?« fragte der Sohn des Emirs von Atar.
    »Ja.«
    »Ist es ein Dorf oder so etwas Ähnliches?«
    »Nein«, sagte ich. »Es ist eines der größten Länder der Welt.«
    »Tiens! Ich habe es immer für ein Dorf gehalten.«
    *
    Nouakchott, Mauretanien
    Verstreute Betongebäude, auf den Sand gesetzt und jetzt von einem bidonville umgeben, in dem Nomaden leben, die, wie Jakob und seine Söhne, zur Seßhaftigkeit gezwungen wurden, »da die Hungersnot im Land besonders schlimm war«.
    Bis zur Dürre im letzten Jahr lebten ungefähr achtzig Prozent der Bevölkerung in diesem Land in Zelten.
    Die Mauren haben eine Leidenschaft für die Farbe Blau. Ihre Gewänder sind blau. Ihre Turbane sind blau. Die Zelte im bidonville sind mit blauer Baumwolle geflickt; und die Hütten, Verschläge aus Bretterkisten, haben unweigerlich irgendwo ein bißchen blaue Farbe.
    Heute nachmittag folgte ich einer verhutzelten alten Frau, die auf dem Müllabladeplatz nach blauen Lumpen herumstocherte. Sie nahm einen Fetzen in die Hand. Sie nahm einen anderen in die Hand. Sie verglich beide. Sie warf den ersten Fetzen wieder weg. Schließlich fand sie ein Stück, das genau den Farbton hatte, den sie suchte – und sie ging singend davon.
    Am Stadtrand hörten drei kleine Jungen auf, ihren Fußball zu kicken, und liefen auf mich zu. Aber statt mich um Geld oder meine Adresse zu bitten, begann der kleinste ein sehr ernstes Gespräch. Wie ich über den Biafra-Krieg dächte? Welches die Gründe für den Krieg zwischen Arabern und Israelis seien? Was ich von Hitlers Judenverfolgung hielte? Von den Monumenten der ägyptischen Pharaonen? Vom uralten Reich der Almorawiden?
    »Und wer bist du ?« fragte ich.
    Er verbeugte sich steif.
    »Sall’ ’Zakaria sall Muhammad«, trillerte er mit hoher Diskantstimme. »Sohn des Innenministers!«
    »Und wie alt bist du?«
    »Acht.«
    Am nächsten Morgen kam ein Jeep, um mich zum Minister zu bringen.
    »Ich glaube, cher Monsieur«, sagte er, »daß Sie meinem Sohn begegnet sind. Ein höchst interessantes Gespräch, wie er mir sagt. Ich für meinen Teil möchte Sie zum Abendessen zu uns einladen und wüßte gern, ob ich Ihnen in irgendeiner Weise behilflich sein kann.«
    *
    Lange Zeit prahlte ich damit, sämtliche möglichen Landschaften in mir zu tragen.
    Rimbaud, Eine Zeit in der Hölle
    *
    Mauretanien, unterwegs nach Atar
    Es waren etwa fünfzig Personen oben auf dem Lastwagen, dicht an Kornsäcke gedrängt. Wir waren auf halbem Weg nach Atar, als ein Sturm ausbrach. Neben mir war ein Senegalese, der einen starken Geruch ausströmte. Er sagte, er sei fünfundzwanzig. Er war stämmig und hatte überentwickelte Muskeln, und seine Zähne waren vom Kauen von Kolanüssen orangerot verfärbt.
    »Gehst du nach Atar?« fragte er.
    »Du auch?«
    »Nein. Ich gehe nach Frankreich.«
    »Warum?«
    »Um meinen Beruf auszuüben.«
    »Was für einen Beruf?«
    »Installation sanitaire.«
    »Hast du einen Paß?«
    »Nein«, sagte er grinsend. »Ich habe ein Papier.«
    Er breitete ein durchweichtes Stück Papier aus, auf dem ich las, daß Don

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