Traumreisende
wäre und an das sie sich schnell gewöhnen könnte, um darauf zu reagieren. Der Name musste diejenige widerspiegeln, die sie in diesem Stadium ihres Lebens war.
Also fragte sie sich wieder:
Wer bin ich?
Ich bin eine Aborigine, eine Suchende, deren Wahrnehmung bereits gefärbt ist, die jetzt umgeben ist von Freunden, Lehrern, Liebe.
Ich fühle mich angenommen, sicher.
Es gibt keine bestimmte Begabung, zu deren Erforschung ich mich hingezogen fühlte, aber ich fühle mich voller Begabungen.
Ich habe das Gefühl, mich zu entwickeln, aber ich weiß nicht gewiss, was aus mir werden wird.
Eine Woche später sagte sie zu Wurtawurta: »Es ist Zeit für meine Feier. Ich bin bereit, einen neuen Namen zu erhalten.«
Wurtawurta ihrerseits teilte den anderen mit, was Beatrice gesagt hatte. Alle lächelten und nickten zustimmend. Die Zeremonie würde in drei Tagen stattfinden. Dann würden sie an einem besonderen Ort sein und Zeit haben, die Vorbereitungen zu treffen. An den beiden folgenden Tagen ihrer Wanderung lag eine feierliche Atmosphäre in der Luft. Sie versuchten herauszufinden, welchen Namen Beatrice gewählt hatte, und der Nachmittag verging mit einem Ratespiel.
Am Nachmittag der Namenszeremonie erreichten sie einen sehr großen und tiefen Krater, einen Kreis von etwa hundert Meter Durchmesser, der in der modernen Welt mit Sitzreihen hätte versehen sein können wie ein Sportstadion. Am Grund des Kraters schlängelte sich ein flacher Bach. Was auch immer diese riesige Vertiefung erzeugt haben mochte, es war so tief in die Erde eingedrungen, dass es einen unterirdischen Wasserlauf freigelegt hatte.
»Es gibt widersprüchliche Geschichten über den Ursprung dieses Kreises«, sagte Benala, als sie mit dem Abstieg zum Zentrum begannen. »Eines Tages war er da, wo er vorher nicht gewesen war. Der Stamm, der innerhalb dieser >songline< der Hüter war, hatte in seiner ganzen Geschichte keinen Bericht über diesen Ort, und wie du dir vorstellen kannst, ist er zu groß, als dass man ihn hätte übersehen können. Den Stamm gibt es jetzt nicht mehr; sie sind alle verschwunden. Der letzte Mann, den man vor ungefähr fünf Jahren zum Fortgehen gezwungen hatte, erwähnte diese Erdformation nicht. Anscheinend ist der Krater später entstanden. Gewiss war es eine starke Kraft, die ihn geschaffen hat.«
»Wie du weißt«, fügte Wurtawurta in scherzhaftem Ton hinzu, »haben all unsere Berge, Flüsse und Täler Namen. Alles ist mit den Geistern und ihren Geschichten gleichzusetzen, aber dieser Ort ist wie du: neu und auf der Suche nach einem Namen.«
Beatrice konnte sich selbst in ihren kühnsten Phantasien nicht vorstellen, dass sie ihm so nahe gewesen waren, als sie ihre Entscheidung getroffen hatte, denn er erschien ihr überaus passend dafür.
Bei Sonnenuntergang zog sich ein purpurfarbenes Band über den Himmel, und jeder in der Gruppe fand, dass es eine wunderschöne Farbe für die Nacht von Beatrices Feier sei. Das Feuer verbreitete einen süßen Duft durch hineingestreute Baumrinde, die man für solche Gelegenheiten bei sich trug.
Karaween reichte Salzgras zu den Fleischportionen, die sie verteilte. Apalie hatte einen Kräutertrank bereitet, indem sie ein würziges Blatt in eine Blase mit Wasser getan und diese den ganzen Tag in der Sonne gedreht hatte. Nach dem Mahl erzählten alle nacheinander eine Geschichte.
Später sangen und tanzten sie zum Rhythmus gegeneinandergeschlagener Stöcke und erzählten von anderen Namensgebungen. Karaween und Apalie führten Beatrice zu dem seichten Bach, bestrichen ihren Körper mit Wasser und sagten zu ihr, so würden ihr altes Leben und ihr gegenwärtiger Name abgewaschen. Am nächsten Morgen würde sie als neuer Mensch mit einem neuen Namen aufwachen.
Als sie zur Feuerstelle zurückkamen, wurden kleine Federn in angedicktes Tierblut getaucht und dann eine nach der anderen auf ihre Stirn geklebt. Als der Kopfschmuck fertig war, sah er aus wie eine weiche, flauschige Tiara, und Beatrice fühlte sich so prächtig wie das Mitglied eines Königshauses. Dann setzten sich alle rund um das Feuer und warteten darauf, dass Beatrice jemandem ihren neugewählten Namen ins Ohr flüsterte. Wer immer dazu ausersehen werden sollte, ihn zu verkünden, würde das auf künstlerische Weise tun. Er würde sofort ein Lied, ein Gedicht oder ein Schauspiel erfinden, um allen anderen die Information weiterzugeben. Niemand wusste, wer aufgerufen werden würde, und es hatte auch keiner von ihnen Zeit
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