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Traumsammler: Roman (German Edition)

Traumsammler: Roman (German Edition)

Titel: Traumsammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
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Baba, als hätte sie nur wenige Sekunden Zeit und müsste sich sein Gesicht einprägen.
    »Baba. Das ist die Freundin, von der ich dir erzählt habe.«
    Er mustert die grauhaarige Frau, die ihm gegenübersitzt. Sein Blick hat neuerdings etwas Verstörendes, und seine Miene verrät selbst dann nichts, wenn er einem direkt ins Gesicht schaut. Er wirkt so verschlossen und teilnahmslos, als wäre sein Blick nur durch Zufall auf sein Gegenüber gefallen, als würde er eigentlich etwas ganz anderes betrachten.
    Pari räuspert sich und sagt mit bebender Stimme: »Hallo, Abdullah. Ich heiße Pari. Ich freue mich so sehr, dich zu sehen.«
    Er nickt langsam. Ich kann ihm die Verwirrung und die Unsicherheit regelrecht ansehen , beides tritt zutage wie Muskelzuckungen. Sein Blick wandert von meinem Gesicht zu Pari. Er zwingt sich das leise Lächeln ab, das er immer aufsetzt, wenn er glaubt, man hätte ihm einen Streich gespielt.
    »Sie haben einen Akzent«, sagt er schließlich.
    »Sie lebt in Frankreich«, sage ich. »Und du musst Englisch sprechen, Baba. Sie versteht kein Farsi.«
    Baba nickt. »Sie leben also in London?«, fragt er Pari.
    »Baba.«
    »Was?« Er fährt zu mir herum. Dann begreift er und lacht beschämt auf, bevor er zu Englisch wechselt. »Sie leben in London?«
    »In Paris«, sagt Pari. »Ich habe eine kleine Wohnung in Paris.« Sie lässt ihn nicht aus den Augen.
    »Ich wollte immer mit meiner Frau nach Paris. Sultana. So hieß sie. Möge Gott ihrer Seele Frieden schenken. Sie hat immer gesagt: Fahr mit mir nach Paris, Abdullah, wann fährst du endlich mit mir nach Paris?«
    Meine Mutter reiste ungern. Sie wollte ihr gemütliches, vertrautes Heim nicht gegen die Beschwerlichkeiten einer Flugreise samt Kofferschleppen eintauschen. Sie hielt auch nichts von kulinarischen Abenteuern. Ihre Vorstellung von exotischem Essen beschränkte sich auf das Chicken Orange im chinesischen Take-away in der Taylor Street. Es ist verrückt, dass Babas Erinnerungen an sie manchmal ganz präzise sind – so weiß er noch, dass sie das Salz immer erst auf die Handfläche schüttete, bevor sie es auf ihr Essen tat, oder dass sie den Leuten am Telefon ins Wort fiel, obwohl sie dies in Gegenwart anderer sonst nie tat – und dann wieder beängstigend ungenau. Wahrscheinlich verblasst meine Mutter für ihn, ihr Gesicht versinkt langsam im Schatten, die Erinnerung an sie schwindet täglich wie Sand aus einer geschlossenen Hand rieselt. Sie wird zur geisterhaften Silhouette, zur leeren Hülle, und er fühlt sich gezwungen, diese mit weithergeholten Details und erfundenen Charakterzügen zu füllen, als wären falsche Erinnerungen besser als gar keine.
    »Ja, es ist eine herrliche Stadt«, sagt Pari.
    »Vielleicht fahre ich ja doch noch mit ihr dorthin. Aber sie hat Krebs. Die weibliche Art, wie heißt sie noch …?«
    »Eileiterkrebs«, sage ich.
    Pari nickt, ihr Blick fliegt zu mir, dann wieder zu Baba.
    »Sie will unbedingt auf den Eiffelturm. Haben Sie den schon mal gesehen?«, fragt Baba.
    »Den Eiffelturm?« Pari Wahdati lacht. »Oh, ja. Ich sehe ihn täglich. Ist gar nicht zu vermeiden.«
    »Sind Sie hinaufgestiegen? Waren Sie ganz oben?«
    »Ja. Man hat von dort einen tollen Ausblick, aber ich habe Höhenangst, und deshalb mag ich es nicht so sehr. An einem wolkenlosen, sonnigen Tag kann man von dort aus alles im Umkreis von sechzig Kilometern sehen. Leider gibt es in Paris nicht viele solcher Tage.«
    Baba brummt. Das ermutigt Pari, und sie erzählt, wie lange der Bau des Turms gedauert hat und dass er eigentlich nur für die Pariser Weltausstellung von 1889 gedacht war, aber sie kann nicht so gut in Babas Augen lesen wie ich. Seine Miene ist wieder ausdrucklos. Sie merkt nicht, dass er ihr nicht mehr zuhört, dass seine Gedanken die Richtung geändert haben wie Blätter, die der Wind umherwirbelt. Pari rückt näher an den Sessel heran. »Wissen Sie, Abdullah«, sagt sie, »dass der Turm alle sieben Jahre neu gestrichen werden muss?«
    »Wie war Ihr Name doch gleich?«, fragt Baba.
    »Pari.«
    »So heißt meine Tochter.«
    »Ja, ich weiß.«
    »Sie haben denselben Namen«, sagt Baba. »Ihr beide habt denselben Namen. Na, so was.« Er hustet und zupft dann versonnen an einer Falte auf der Lehne des Ledersessels.
    »Darf ich Sie etwas fragen, Abdullah?«
    Baba zuckt mit den Schultern.
    Pari schaut zu mir auf, als wollte sie um Erlaubnis bitten. Ich nicke ihr zu. Sie beugt sich auf dem Stuhl nach vorn. »Wieso haben Sie Ihrer

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