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Traumsammler: Roman (German Edition)

Traumsammler: Roman (German Edition)

Titel: Traumsammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
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einmal von der Schippe.
    Wir stritten uns damals oft, Suleiman und ich, vielleicht, weil wir im Haus eingesperrt waren und so oft zusammenhockten. Wir stritten uns wie ein altes Ehepaar – unnachgiebig und hitzig und wegen der banalsten Kleinigkeiten.
    Du hast diese Woche schon einmal Bohnen gekocht.
    Nein, habe ich nicht.
    Oh, doch. Am Montag!
    Wir stritten uns darüber, wie viele Partien Schach wir am Vortag gespielt hatten. Er warf mir vor, sein Wasser immer auf die Fensterbank zu stellen, obwohl ich wusste, dass es von der Sonne warm wurde.
    Warum hast du nicht um die Bettpfanne gebeten, Suleiman?
    Das habe ich! Und zwar hundert Mal!
    Ja, was? Hältst du mich jetzt für faul oder für taub?
    Beides.
    Du beschimpfst mich als faul, obwohl du den lieben, langen Tag im Bett liegst? Das nenne ich dreist.
    Und so weiter und so fort.
    Er drehte den Kopf weg, wenn ich ihn füttern wollte, und ich ließ es sein und ging, knallte die Tür hinter mir zu. Ich muss gestehen, dass ich ihn manchmal absichtlich beunruhigte. Ich verließ das Haus, und er rief: Wohin gehst du? , und ich gab keine Antwort. Ich tat so, als würde ich mich endgültig davonmachen, obwohl ich natürlich nur durch die Straße schlenderte und eine Zigarette rauchte, eine Angewohnheit, die ich erst im Alter entwickelte. Ich rauchte allerdings nur, wenn ich verärgert war. Manchmal blieb ich stundenlang weg, und wenn er mich besonders heftig beschimpft hatte, kehrte ich erst bei Anbruch der Dunkelheit zurück. Aber ich ließ ihn nicht im Stich. Ich betrat wortlos sein Schlafzimmer, drehte ihn um und schüttelte das Kopfkissen auf, und wir sahen einander nicht an, waren beide gereizt und warteten darauf, dass sich der andere entschuldigte.
    Mit der Ankunft der Taliban – junge Männer mit scharf geschnittenen Gesichtern, dunklen Bärten, mit Kohlestiften geschminkten Augen und Peitschen in den Händen – nahmen die Kämpfe ein Ende. Die Grausamkeit, mit der sie wüteten, ist hinreichend dokumentiert, deshalb möchte ich auch an dieser Stelle nicht weiter ins Detail gehen, Mr Markos. Ich muss jedoch gestehen, dass die Jahre unter ihrer Herrschaft ironischerweise eine Verschnaufpause für mich darstellten. Ihre Verachtung und ihr religiöser Eifer galten den jungen Leuten, vor allem den bedauernswerten Frauen. Was mich betraf, so war ich ein alter Mann. Der Bart, den ich mir wachsen ließ, war mein größtes Zugeständnis an sie, und er hatte den Vorteil, dass ich mich nicht mehr täglich rasieren musste.
    »Nun ist es amtlich, Nabi«, sagte der im Bett liegende Suleiman. »Du hast deine besten Tage hinter dir. Du siehst jetzt aus wie ein Prophet.«
    Die Taliban liefen auf der Straße an mir vorbei, als wäre ich ein grasendes Rind. Ich förderte dies, indem ich bewusst die dümmliche Miene eines Rindviehs aufsetzte, um ja keine Aufmerksamkeit zu erregen. Mich schaudert bei dem Gedanken, was sie mit Nila gemacht – ihr angetan hätten. Wenn ich sie mir vorstellte, lachend auf einer Party, ein Glas Champagner in der Hand, mit bloßen Armen und langen, schlanken Beinen, hatte ich oft das Gefühl, dass sie nie wirklich existiert, dass ich sie frei erfunden hatte. Als wäre alles nur ein Traum gewesen – nicht nur sie, sondern auch Pari, der junge, gesunde Suleiman und ich, die Jahre, die wir gemeinsam in diesem Haus verbracht hatten.
    Und dann, eines Morgens im Sommer 2000, wollte ich Suleiman ein Tablett mit Tee und frisch gebackenem Brot bringen. Ich wusste schon beim Betreten des Schlafzimmers, dass etwas nicht stimmte. Er atmete unregelmäßig. Sein Gesicht wirkte noch schiefer als zuvor, und als er etwas sagen wollte, brachte er nur Krächzlaute hervor, kaum lauter als Geflüster. Ich stellte das Tablett ab und eilte zu ihm.
    »Ich hole einen Arzt, Suleiman«, sagte ich. »Nur Geduld. Du wirst schon wieder, wie immer.«
    Ich wollte hinausrennen, doch er schüttelte wild den Kopf, winkte mich mit der linken Hand zu sich.
    Ich legte ein Ohr dicht vor seinen Mund.
    Er versuchte mehrmals, etwas zu sagen, aber ich konnte kein Wort verstehen.
    »Tut mir leid, Suleiman«, sagte ich. »Bitte lass mich gehen, damit ich einen Arzt holen kann. Ich bin nicht lange fort.«  
    Er schüttelte wieder den Kopf, dieses Mal langsam, und aus seinen Augen, trübe durch den Grauen Star, rannen Tränen. Sein Mund klappte auf und zu. Er nickte in Richtung seines Nachttischs. Ich fragte ihn, ob er etwas brauche. Er nickte mit geschlossenen Augen.
    Ich zog die oberste

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