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Traumsammler: Roman (German Edition)

Traumsammler: Roman (German Edition)

Titel: Traumsammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
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aber sie war spät dran gewesen, und Colette war in der Wohnung auf und ab gelaufen wie ein Raubtier im Käfig.
    »Ich hätte nicht gedacht, dass du der Demo-Typ bist«, sagte Julien und gab ihr Feuer.
    »Bin ich auch nicht. Ich habe nicht aus Überzeugung mitgemacht, sondern weil ich Schuldgefühle hatte.«
    »Schuldgefühle? Wegen der Seehunde?«
    »Wegen Colette.«
    »Ah. Ja. Ich muss gestehen, dass sie mir ein wenig Angst macht.«
    »Das geht allen so.«
    Sie lachten. Er griff über den Tisch nach ihrem Tuch. Dann ließ er die Hand sinken. »Wäre idiotisch zu sagen, wie erwachsen du geworden bist. Also lasse ich das. Aber du siehst hinreißend aus, Pari.«
    Sie zupfte am Kragen ihres Regenmantels. »In diesem Inspektor-Clouseau-Aufzug?« Ihre Angewohnheit, vor attraktiven Männern den Clown zu geben und sich klein zu machen, war laut Colette einfach blöd, aber Pari überspielte so ihre Nervosität, die sie vor allem dann überkam, wenn man ihr Komplimente machte. Sie beneidete ihre Maman weder zum ersten noch zum letzten Mal um deren natürliches, selbstsicheres Auftreten.
    »Als Nächstes wirst du sagen, dass ich meinem Namen gerecht werde«, sagte sie.
    » Ah, non . Bitte. Das wäre zu plump. Weißt du, dass es eine Kunst ist, Frauen ein Kompliment zu machen?«
    »Nein. Aber du weißt es bestimmt.«
    Der Kellner brachte Kaffee und Gebäck, und Pari konzentrierte sich auf seine Hände, während er Tassen und Teller auf den Tisch stellte. Ihre eigenen Hände schwitzten wie verrückt. Sie hatte bisher nur vier Liebhaber gehabt – eine bescheidene Anzahl, verglichen mit den Männern, die ihre Maman in ihrem Alter bereits gehabt hatte. Sogar im Vergleich mit Colette. Pari war zu vorsichtig, zu vernünftig, zu entgegenkommend, zu flexibel und, unter dem Strich, geradliniger und weniger anstrengend als Maman oder Colette. Nur zogen diese Eigenschaften die Männer leider nicht in Scharen an. Außerdem hatte sie keinen ihrer Liebhaber geliebt. Einem gegenüber hatte sie dies zwar behauptet, aber sie hatte gelogen, und immer, wenn sie unter einem von ihnen gelegen hatte, hatte sie an Julien und dessen wunderschönes Gesicht denken müssen, ein Gesicht, das von innen heraus zu leuchten schien.
    Er erzählte beim Essen von seiner Arbeit. Das Unterrichten an der Uni, sagte er, habe er vor längerer Zeit aufgegeben. Danach habe er beim IWF eine Weile im Bereich Schuldenbelastbarkeit gearbeitet. Die Reisen, sagte er, seien das Beste gewesen.
    »Wohin bist du gereist?«
    »Jordanien, Irak. Und danach habe ich mehrere Jahre an einem Buch über das Thema Schattenwirtschaft geschrieben.«
    »Ist es erschienen?«
    »So heißt es zumindest.« Er lächelte. »Ich arbeite jetzt für eine Consulting-Firma, hier in Paris.«
    »Ich würde auch gern reisen«, sagte Pari. »Colette drängt mich ständig zu einer Reise nach Afghanistan.«
    »Ich kann mir denken, warum sie dorthin möchte.«
    »Na ja, ich habe darüber nachgedacht. Eine Rückkehr dorthin, meine ich. Das Haschisch interessiert mich nicht, aber ich würde gern das Land kennenlernen, in dem ich geboren wurde. Vielleicht könnte ich das alte Haus wiederfinden, in dem ich mit meinen Eltern gewohnt habe.«
    »Mir war nicht klar, dass du diesen Drang verspürst.«
    »Ich bin einfach neugierig. Ich habe kaum Erinnerungen.«
    »Du hast einmal den Koch deiner Familie erwähnt.«
    Pari fühlte sich insgeheim geschmeichelt, weil Julien sich an etwas erinnerte, das sie ihm vor so vielen Jahren erzählt hatte. Er hatte in der Zwischenzeit offenbar an sie gedacht. Er hatte sie nicht ganz vergessen.
    »Ja. Er hieß Nabi. Er war auch unser Chauffeur. Er fuhr das Auto meines Vaters, einen großen, blauen, amerikanischen Schlitten mit Klappverdeck. Ich kann mich noch an den Adler auf der Kühlerhaube erinnern.«
    Später fragte er nach ihrem Studium, und sie antwortete, dass sie sich vor allem mit komplexen Variablen beschäftige. Er hörte viel aufmerksamer zu als ihre Maman, die das Thema langweilte und die nicht begriff, warum Pari sich dafür begeistern konnte. Ihre Maman vermochte nicht einmal so zu tun, als ob sie sich dafür interessierte, sondern riss alberne Witze, mit denen sie sich über ihre eigene Unwissenheit lustig zu machen schien. O là là , sagte sie dann grinsend, mein Kopf! Mein Kopf! Er schwirrt wie ein Brummkreisel! Ich schlage dir einen Handel vor, Pari: Ich schenke uns Tee ein, und du kehrst auf unseren Planeten zurück, d’accord? Dann lachte sie leise, und Pari

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