Traumschiff vor Stockholm: Mittsommerherzen (German Edition)
von ihrer Kabinengenossin Majken, die am Check-in gearbeitet hatte.
Dass diese hochnäsige junge Frau seine Stiefschwester sein sollte, überraschte Filippa. So wie diese unmögliche Person ihn für sich eingenommen hatte, hatte sie sie eher für seine Ehefrau gehalten. Gleichzeitig verspürte Filippa aber auch eine gewisse Erleichterung. Aber warum? Immerhin ging dieser Erik sie doch gar nichts an. Nun ja, gut ausgesehen hatte er schon, das konnte sie nicht leugnen. Aber sie war schließlich nicht hier, um attraktive Männer zu bewundern, sondern um ihren Job zu machen – und damit ihrem Vater zu beweisen, dass sie auch als Frau durchaus in der Lage war, für sich selbst und andere Verantwortung zu übernehmen.
Filippa ärgerte sich über sich selbst. Statt mit solch sinnlosen Überlegungen kostbare Zeit zu vergeuden, sollte sie sich lieber den wirklich wichtigen Dingen widmen. Zum Beispiel der Frage nach der Identität des geheimnisvollen Reisekritikers.
Deshalb hatte sie sich mit Majken auf dem Hauptdeck der
Midsommarsolen
verabredet. Noch vor etwas mehr als einer Stunde hatten sich die Passagiere hier und auf den darunter liegenden Decks dicht an dicht gedrängt. Jeder hatte dabei sein wollen, wenn das riesige Kreuzfahrtschiff majestätisch aus dem Hafen hinaus aufs offene Meer glitt. Jetzt hingegen, kurz vor dem großen Kapitänsempfang im
Sju Havens
Restaurant, befanden sich die meisten Gäste in ihren Kabinen, um sich für das Dinner umzukleiden, und Filippa hatte das Aussichtsdeck ganz für sich.
Einen Moment lang gestattete sie es sich, einfach nur die Seele baumeln zu lassen und die Schönheit und Erhabenheit ihrer Umgebung zu genießen. Eine leichte Brise wehte und zupfte an den widerspenstigen Locken, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatten. Als Filippa sich mit der Zunge über die Lippen fuhr, schmeckte sie einen Hauch von Salz. Die Sonne stand noch immer hoch über dem Horizont – es war die Zeit der endlos scheinenden Sommernächte, in denen es selbst weit nach Mitternacht nicht richtig dunkel wurde. Doch der Himmel begann sich bereits zu färben, und schon bald würde er in leuchtendem Purpur und feurigem Magenta erstrahlen und auch das Meer in Flammen setzen. Möwen zogen über dem Schiff ihre Kreise. Ihre schrillen Schreie vermischten sich mit dem Rauschen der Wellen, die sich am Rumpf der
Midsommarsolen
brachen.
Als Filippa Schritte hinter sich hörte, drehte sie sich um. Es war Majken.
„Filippa,
hej
! Was gibt es denn so Dringendes, dass du mich unbedingt sprechen wolltest?“ Ein wissendes Lächeln umspielte die Lippen ihrer Kabinengenossin. „Geht es wieder um diesen gut aussehenden Mann? Diesen Andersson?“
Die Erwähnung dieses Namens ärgerte Filippa. Am liebsten hätte sie diese unsäglich peinliche Episode einfach vergessen. Sie hatte sich bei ihm entschuldigt, weil er Gast auf der
Midsommarsolen
war, und hier galt die Devise: „Der Kunde ist König – der Kreuzfahrtpassagier Kaiser.“ Niemals würde sie es sich einfallen lassen, einen Gast zu kritisieren oder sich gar zu beschweren. Trotzdem fand sie das Verhalten von Erik Andersson im Nachhinein mehr als unangemessen. Er musste doch sofort gemerkt haben, dass sie ihn ganz offenbar mit jemandem verwechselte. Wäre es da wirklich zu viel verlangt gewesen, sie direkt auf diesen Irrtum hinzuweisen? Und zwar bevor sie sich in aller Öffentlichkeit zum Narren machte?
Am allermeisten ärgerte sie jedoch, dass sie einfach nicht aufhören konnte, an ihn zu denken – und zwar nicht nur wegen der peinlichen Begegnung vorhin an der Gangway. Immer wenn sie die Augen schloss, sah sie ihn vor sich, und war dieses Bild erst einmal heraufbeschworen, ließ es sich so leicht nicht wieder vertreiben.
Schon allein deshalb war Filippa alles andere als erpicht darauf, ihn wiederzusehen. Doch da Erik Andersson, seine Stiefschwester und sie sich nun einmal auf demselben Kreuzfahrtschiff befanden, würde sich eine weitere Begegnung früher oder später nicht vermeiden lassen.
Wenn es nach ihr ging, lieber später als früher.
„
Nej
, ganz sicher nicht!“, erwiderte sie kurz angebunden. „Ich habe dich hergebeten, weil ich hoffe, dass du mir helfen kannst. Hast du beim Einchecken der Passagiere irgendetwas Ungewöhnliches bemerkt? Gab es vielleicht jemanden, der besonders viele Fragen gestellt oder sich auffallend lange umgesehen hat?“
Majken runzelte die Stirn. „Worauf willst du hinaus? Haben wir etwa einen Kritiker an
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