Traumschiff vor Stockholm: Mittsommerherzen (German Edition)
erschienen. Warum fiel es ihm jetzt plötzlich so schwer, sich eine Zukunft mit Emilia vorzustellen?
Er nahm seine Anzugjacke vom Garderobenbügel und zog sie über. Emilia, die noch immer dabei war, ihre Kritikpunkte aufzuzählen, verstummte und musterte ihn ärgerlich. „Was tust du denn da? Du willst noch weg? Der Kapitänsempfang beginnt in weniger als einer Stunde.“
Erik nickte. Er hatte sich bereits umgezogen und die dunklen Designerjeans und den schlichten grauen Kaschmirpullover gegen einen eleganten anthrazitfarbenen Abendanzug getauscht. Das wellige Haar trug er straff zurückgekämmt. „Ich werde rechtzeitig zurück sein“, versicherte er und verließ ohne ein weiteres Wort der Erklärung die Suite.
Kühle Seeluft schlug ihm entgegen und ließ ihn frösteln. Er vergrub die Hände tief in den Hosentaschen und zog die Schultern hoch. Dann trat er an die Reling. Ihre Suite befand sich auf dem Oberdeck am Bug des riesigen Kreuzfahrtschiffes. Unter ihm erstreckten sich die Außenbereiche des Haupt- und des Stockholmdecks – dem Vergnügungsbereich, in dem das Restaurant, ein Kasino, diverse Bars und Boutiquen sowie die als Theater, Kino und Veranstaltungssaal nutzbare
Sverige Lounge
unterbracht waren.
Dahinter gab es, so weit das Auge reichte, endlose See.
Eine Weile stand Erik einfach nur da und ließ seine Gedanken schweifen und sich den Wind durchs Haar wehen. Dann bemerkte er unten auf dem ansonsten verlassenen Hauptdeck eine Person, die seine Aufmerksamkeit fesselte. War das nicht …?
Ja, jetzt drehte sie sich um, und er erkannte sie sofort wieder. Es war Filippa Vinterdahl, die junge Hostess, mit der es beim Check-in dieses kleine Missverständnis gegeben hatte. Sie blickte aufs Meer hinaus und wirkte dabei sehr nachdenklich. Ob sie seinetwegen Schwierigkeiten bekommen hatte?
Er wusste es nicht. Zwar hatte er Emilia davon abbringen können, sich über das Verhalten der jungen Frau zu beschweren, doch der Vorfall hatte Aufmerksamkeit erregt. Womöglich war das Ganze also trotzdem zu ihrem Vorgesetzten vorgedrungen, wer konnte das schon so genau sagen?
Seufzend schüttelte er den Kopf. Er wusste, dass er sich falsch verhalten hatte. Es wäre seine Pflicht gewesen, die Verwechslung sofort aufzuklären, um ihnen beiden eine peinliche Szene zu ersparen. Doch aus irgendeinem Grund hatte er es nicht getan, sondern die kleine Auseinandersetzung mit ihr sogar noch genossen. Und dafür verdiente sie zumindest eine persönliche Entschuldigung.
Er straffte die Schultern und ging zur Treppe, über die man hinunter aufs Hauptdeck gelangte. Erst jetzt bemerkte er, dass er doch nicht vollkommen allein war. Ein junges Pärchen stand eng umschlungen in der Nähe und tauschte Küsse und verliebte Blicke aus. Doch Erik glaubte nicht, dass sich die beiden von irgendjemandem stören lassen würden.
Filippa Vinterdahl hingegen bemerkte ihn sofort. Als sie seine Schritte auf dem glatten Teakboden hörte, drehte sie sich um. Ihre Miene verdunkelte sich kurz, nahm aber sofort wieder den Ausdruck professioneller Verbindlichkeit an, den jede Servicekraft, die etwas von ihrem Job verstand, auf Knopfdruck abrufen konnte.
Erik kannte diesen Blick genau. Er hatte sich während seines Studiums als Nachtportier in einem großen Hotel etwas dazuverdient. Das Lächeln, das Filippa jetzt zur Schau stellte, war für die weniger angenehmen Gäste reserviert, die man mit der gleichen ausgesuchten Höflichkeit behandeln musste wie alle anderen.
Er verspürte einen Anflug von Verärgerung darüber, dass sie ihn in diese Kategorie einstufte, obwohl er sich vor Emilia für sie eingesetzt hatte. Aber dann sagte er sich, dass er es wahrscheinlich nicht anders verdient hatte.
„
God afton“
, grüßte sie betont freundlich. „Kann ich etwas für Sie tun?“
„
Nej“
, antwortete er und fuhr sich seufzend mit der Hand durchs Haar, was seiner Frisur vermutlich endgültig den Todesstoß versetzte. „Ich bin froh, dass wir uns hier über den Weg laufen.“
„Ach, tatsächlich?“
„Ja, und ich möchte die Gelegenheit nutzen, um mich bei Ihnen zu entschuldigen. Mein Verhalten vorhin war … inakzeptabel. Ich hätte das kleine Missverständnis gleich aufklären sollen. Es tut mir leid, wenn Sie meinetwegen irgendwelche Probleme bekommen haben.“
Sie winkte ab. „Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber Sie müssen sich deswegen wirklich keine Gedanken machen.“
Täuschte er sich, oder hatte sie es eilig, ihn loszuwerden?
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