Traumschlange (German Edition)
Immer wieder stieß sie Leute vor den Kopf. Hauptsächlich Menschen, die es gut mit ihr meinten.
Was zum Teufel ist bloß mit mir los?
Sie legte ihre Hand auf seinen Arm. „Tut mir leid, ich habe es nicht so gemeint. Es ist nur...“
„Möchten Sie, dass ich Sie zu Ihrem Hotel zurückbringe?“, unterbrach er sie unwirsch.
Na prima, dachte Abby. Jetzt ist er wirklich sauer.
„Ja, danke. Wenn es Ihnen nichts ausmacht. Ich fühle mich ein wenig müde und würde mich gern hinlegen.“
Wortlos wandte sich Ferre um und ging zu seinem Wagen. Abby musste zusehen, dass sie mit ihm Schritt hielt. Als er die Fahrzeugtür öffnete, hatte Abby für einen Augenblick das Gefühl, er würde sie, wie bei einer Entführung, in den Wagen stoßen, aber Ferre wartete lediglich bis sie eingestiegen war, bevor er sich selbst hinter das Steuer setzte.
Er startete den Motor. Ohne auf den Verkehr zu achten, scherte er aus der Parklücke. Sein Fuß stampfte das Gaspedal durch und der Mercedes machte einen Satz nach vorn. Abby wurde regelrecht in den Sitz gepresst.
Die Wasserfälle von Saut d’Eau würde sie nun wohl doch nicht zu sehen bekommen.
8. Gelöscht
Abby stand noch unter der Dusche, als es an ihre Zimmertür klopfte. Hastig drehte sie das Wasser ab und schlang sich ein Badetuch um den Körper. Das konnte nur Patrick sein. Anscheinend hatte er ihr verziehen. Nun gut, dann würde sie ihm auch nachsehen, dass er sie ohne ein Abschiedswort vor dem Hotel hatte stehen lassen und davon gebraust war.
„Ich komme“, rief sie zur Tür hinüber. Wo waren ihre Badelatschen? Sie hatte sie doch vor der Duschkabine abgestellt. Jetzt waren die Dinger verschwunden. Nein, dort unten dem Waschbecken standen sie. Abby schlüpfte hinein. Das Handtuch rutschte, während sie zur Tür hetzte und sie aufriss.
Vor ihr stand nicht Patrick Ferre. Es war der junge Arzt aus dem Krankenhaus mit dem Abby am Morgen gesprochen hatte. Ihr wurde bewusst, wie sie auf ihn wirken musste. Halbnackt. Mit einem Griff zog sie das Badetuch hoch, bis alles bedeckt war.
Offensichtlich war ihr die Enttäuschung anzusehen, denn Mitchard sagte: „Es tut mir leid, wenn ich ungelegen komme. Soll ich...“
„Nein, schon gut. Treten Sie ein.“
Abby schloss hinter ihm die Tür. Mitchard ging bis zur Mitte des Raumes und blieb dann verlegen stehen.
„Setzen Sie sich doch“, lud Abby ein. „Möchten sie etwas trinken?“
Mitchard schaute sich um, als er suche er die Antwort auf diese einfache Frage an den Zimmerwänden.
Abby schritt zur Minibar hinüber. Die kalte Luft aus dem Kühlschrank strich erfrischend über ihr heißes Gesicht, als sie hineinspähte.
„Ich könnte Ihnen einen Whisky, einen Fernet Branca, was auch immer das ist oder ein Bier anbieten.“
„Ich nehme das Bier. Danke.“
„Es ist leider nur Dosenbier.“
„Das macht nichts.“
Abby reichte ihm ein Heineken. Mitchard nahm ein Glas vom Tisch. Kurz darauf erfüllte das zischende Geräusch den Raum, mit dem die Bierdose geöffnet wurde. Abby bekam ebenfalls Appetit auf ein Bier. Sie nahm eine weitere Dose aus dem Kühlschrank und setzte sich Mitchard gegenüber.
„Schmeckt herrlich“, meinte der Arzt. „Besonders nach einem harten, heißen Tag.“
„Sie haben mich also nicht vergessen“, sagte Abby.
Seine Augen weiteten sich, als sei es vollkommen unvorstellbar, dass ihm so etwas geschehen könnte.
„Nein, aber ich habe keine guten Nachrichten.“
Abby seufzte. Eigentlich hatte sie nichts anderes erwartet.
„Die Computerdatei Ihrer Schwester wurde gelöscht.“
„Gelöscht? Was meinen Sie mit gelöscht?“, fragte Abby.
„Ich meine damit, dass jemand die Datei absichtlich gelöscht hat.“
Das kühle Bier war vergessen. Das angenehme Gefühl frisch geduscht zu sein war verschwunden. Alles war verschwunden. Absichtlich. Nur noch dieses eine Wort hatte Bedeutung und nahm sämtlichen Platz in ihrem Bewusstsein in Anspruch.
„Warum sollte jemand so etwas tun? Und wie sind Sie darauf gekommen?“
„Warum? Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung. Natürlich habe ich mir darüber Gedanken gemacht und verschiedene Möglichkeit durchgespielt, aber letztendlich ergibt es keinen Sinn. Ihre Schwester ist einen natürlichen Tod gestorben. Niemanden am Krankenhaus trifft eine Schuld an ihrem Tod, also hat auch niemand etwas zu verbergen.“
„Und wenn ihr Tod doch nicht so natürlich war? Wenn jemand einen Fehler gemacht hat?“
Mitchard zuckte zusammen.
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