Traumschlange (German Edition)
Mann, der den Krach veranstaltet hatte, ging hinüber zum Haupthaus. Kurz darauf führte er eine Frau an seinem Arm hinaus in den Hof. Auch sie bewegte sich wie in Trance. Noch eine Sklavin, dachte Abby.
Die Frau war barfuss und trug ein einfaches weißes Leinenkleid, dem Abby ansah, dass es schon seit Tagen nicht mehr gewaschen worden war. Ihr Gesicht wurde durch einen Strohhut verdeckt, den sie jetzt abnahm. Blondes langes Haar flutete über ihre nackten Schultern.
Abby Herz setzte zwei Schläge aus.
Da unten ging ihre Schwester und blinzelte verstört in die Sonne.
Patrick Ferre und Julius Castor standen am Fenster und blickten hinaus in den Hof. Auch sie beobachteten Linda Summers bei ihren zögerlichen Schritten, sahen, wie sie verwirrt stehen blieb und versuchte, sich zu orientieren. Beide wussten, dieser Versuch war hoffnungslos. Solange die Zombies regelmäßig das Gift bekamen, konnten sie sich zwar einfache Fragen stellen, aber sie fanden keine Antworten.
Fragen wie, wer bin ich? Wo bin ich? Was tue ich hier?, blieben für alle Ewigkeit unbeantwortet. Sie mischten ihnen das Gift unter das Essen, das sie zweimal am Tag, mittags und abends, erhielten. So war es am einfachsten. Die Gefahr bestand allerdings in den Gefangenen, die sich weigerten zu essen. Ihnen konnte es gelingen, wieder einen Teil ihres Bewusstseins zu erringen und das musste verhindert werden. Die Aufseher kontrollierten nach jeder Mahlzeit, ob die Näpfe leer gegessen waren. Wer nicht aß, wurde so lange geprügelt, bis er aß.
Linda Summers streckte sich in einer anmutigen Bewegung. Sie wirkte wie ein Kind, verloren in einem immer währenden Traum. Mehrmals am Tag wurde sie aus ihrer Zelle im Keller des Haupthauses in den Hof geführt, aber immer erst, wenn die anderen Gefangenen auf den Feldern oder in ihrer Baracke waren. Nichts sollte ihr naives Glück stören, dafür hatte Patrick gesorgt. Es war das einzige Mal, dass er sich gegen seinen Stiefvater hatte durchsetzen können, der Linda umbringen lassen wollte. Castor hatte etwas von einem lebenden Spielzeug geknurrt, aber nachgegeben. Nach ihren neuesten Differenzen wusste Patrick allerdings nicht, wie sicher Linda Summers Leben noch war. Aber selbst, wenn Castor ihr nichts antat, war dies kein Zustand. Sie konnte sich ohne fremde Hilfe nicht allein anziehen. Das Essen musste man ihr füttern. Und oft vergaß sie sich und verrichtete ihren Stuhlgang an der Stelle, an der sie gerade ging oder stand. Ferre hatte eigens einen Mann abgestellt, der Linda Summers versorgte. Dies war zwar keine besonders glückliche Lösung, aber auf der Plantage arbeiteten außer den weiblichen Sklaven keine Frauen. Lindas Bewacher war ein alter Mann, also war von dieser Seite aus nichts zu befürchten und er kümmerte sich mit hinreißender Herzlichkeit um seinen blonden Engel, wie er sie nannte.
„Sie ist wunderschön“, meinte Ferre zu sich selbst.
„Bald wirst du sie satt haben“, knurrte Castor.
Patrick hatte nicht bemerkt, dass er laut gesprochen hatte. Er wandte sich seinem Stiefvater zu.
„Mitchard liegt ans Bett gefesselt in der Baracke. Was hast du mit ihm vor?“
Über Castors Gesicht kroch ein bösartiges Lächeln. „Die Sau hat mich genug Geld gekostet. Es wird Zeit, dass er etwas davon abarbeitet.“
„Du willst ihn auf die Felder schicken?“, fragte Ferre verblüfft.
„Was sonst?“
„Er wird keine drei Monate durchhalten. Dazu ist er nicht kräftig genug.“
„Und? Dann verreckt er eben. Aber bis dahin soll er schuften.“
Der Abend kam näher. Die Sonne schickte ihre letzten schwachen Strahlen über die Hügel. Nur noch etwa zwei Stunden bis zum Anbruch der Nacht und noch immer hatte Abby Jean nicht entdecken können.
Zweimal nur hatte sie ihren Beobachtungsposten in der ganzen Zeit verlassen. Das eine Mal war sie zurück zum Wagen geschlichen, um nach etwas zu suchen, das sie als Waffe verwenden konnte. Aber sie fand nur einen schweren Wagenheber und ein verrostetes Radkreuz. Beides zu schwer und zu unhandlich.
Das andere Mal hatte sie ihr brennender Durst zum Bach getrieben. Es war zwar nicht so heiß, wie in den letzten Tagen gewesen, aber die Sonne trocknete ihren Körper aus. An den ungeschützten Händen hatte sie inzwischen einen schweren Sonnenbrand und ihr Nacken juckte höllisch. Fliegen hatten sie den ganzen Tag über geplagt, aber Abby hatte nicht gewagt, sie zu verscheuchen. Sie durfte sich keine Bewegung erlauben, die man auf der
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