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Traumschlange (German Edition)

Traumschlange (German Edition)

Titel: Traumschlange (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wekwerth
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Plantage entdecken konnte.
    Linda war gegen vier Uhr am Nachmittag noch einmal für eine halbe Stunde in den Hof geführt worden. Es schmerzte Abby ihre Schwester in diesem Zustand zu sehen, aber vorerst konnte sie nichts unternehmen. Sie musste auf die Nacht warten.
    Ein paar Minuten hatte sich Abby gestattet über die Möglichkeit nachzudenken, die Polizei zu rufen, aber sie hatte diesen Gedanken gleich wieder verworfen. Die Behörden waren korrupt und würden ihr nicht helfen. Im Gegenteil, wahrscheinlich warnten sie die Besitzer der Farm und Linda und Jean wurden an einen anderen Ort verschleppt oder getötet, damit es keine Zeugen gab. Nein, sie musste das allein durchziehen.
    Die Arbeiter kamen zurück von den Feldern und standen nun sinnlos im Hof herum. Keiner sprach mit dem anderen. Sie wirkten wie eine Herde Schafe, die ihre Hirten verloren hatten und nun nicht wussten, in welche Richtung sie gehen sollten.
    Ein Mann verließ das Haupthaus und überquerte den Hof mit weiten Schritten. Abby glaubte, Patrick Ferre zu erkennen, aber der Mann wandte ihr den Rücken zu und ging zu schnell, als dass sie sich sicher sein konnte.
    Kurz darauf kam er aus der Baracke zurück und zog jemanden hinter sich her. Abby erkannte beide augenblicklich. Es war Jean. Mit hängendem Kopf trottete er Ferre hinterher. Es konnte keinen Zweifel geben. Da unten war der Mann, in den sie sich fast verliebt hatte und führte den Mann, der ihr bei ihrer Suche nach Linda geholfen hatte, über den Hof, als ziehe er einen jungen, widerspenstigen Hund auf den Dressurplatz.
    Mitchard war ungefesselt, aber er leistete weder Widerstand noch machte er Anstalten zu fliehen. Sein Kopf pendelte beim Gehen kraftlos auf seinem Hals. Die Hände hielt er nach vorn ausgestreckt, als wolle er Ferre anflehen, aber Abby konnte sehen, dass es eine unbewusste Geste war. Jean schien den Verstand verloren zu haben oder aber er stand unter Drogen und bekam nicht mehr mit, was um ihn herum geschah.
    Abby dachte über die Wirkung der Gifte nach, die ihr Mitch Stanwill geschildert hatte. Sie hatte das Gift unterschätzt. Es hinterließ deutlichere Spuren als erwartet. Jean war verloren. Ohne ihre Hilfe würde er für den Rest seines Lebens dahinvegetieren. Gleich zwei Menschen zu befreien, die beide nicht recht bei Sinnen waren, würde nicht einfach werden, trotzdem ließ sich Abby nicht entmutigen. Sie hatte es gegen alle Widerstände bis hierher geschafft. Sie hatte Linda und Jean gefunden. Der Rest würde ihr auch noch gelingen.
    Ferre schleppte Mitchard zu einer Stelle nahe dem Zaun und ließ ihn dort stehen, bevor er selbst wieder im Haupthaus verschwand.
    Abby hielt die Luft an. Jean stand keine zwanzig Meter von ihr entfernt und blickte in ihre Richtung. Die Wächter waren nicht in der Nähe, sondern behielten die anderen Gefangenen im Auge. Abby erhob sich ein wenig. Jean musste sie jetzt sehen. Er starrte genau zu ihr herüber, aber es gab kein Anzeichen dafür, dass er sie entdeckte.
    „Jean“, rief sie leise.
    Nichts. Keine Reaktion.
    „Jean.“
    Mitchard glotzte noch immer unbeweglich in ihre Richtung. Abby musste es wagen. Sie presste sich noch enger auf den Boden und kroch langsam vorwärts. Zentimeter für Zentimeter arbeitete sie sich voran. Spitze Steine rissen ihre Hände auf, aber sie beachtete den aufkommenden Schmerz nicht.
    Schließlich trennten sie noch zehn Meter.
    Dann nur noch fünf Meter.
    „Jean“, raunte sie. Mitchard reagierte weiterhin nicht.
    Abby erreichte den Zaun. Ein verdorrter Busch schützte sie zwar vor etwaigen Blicken, aber lange konnte sie hier nicht bleiben, ohne entdeckt zu werden.
    „Jean“, versuchte sie es noch einmal.
    Endlich zeigte er eine Reaktion. Seine Pupillen weiteten sich. Der Kopf ruckte nach unten. Er erkannte sie.
    „A...A...Abby“, murmelte er leise, so als bereitete es ihm große Schwierigkeiten sich an ihren Namen zu erinnern.
    „Ja, Jean. Ich bin da“, flüsterte sie. „Heute Nacht hole ich dich da raus.“
    Aber sein Blick war schon wieder leer geworden. Seine Augen glänzten stumpf, als er sich abwandte und zurück zum Hof schlurfte.
     
     
    26. Salz
     
    Der Mond stand als leuchtende Scheibe am Himmel. Wie eine polierte Münze glänzte seine Oberfläche in der Nacht. Abby schlich zwischen den niedrigen Büschen und Felsen zum Zaun.
    Das Licht war ausreichend und sie konnte ihren Weg genau ausmachen, allerdings barg der Schein des Mondes auch die Gefahr, entdeckt zu werden.
    Nur noch ein

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