Traumschlange (German Edition)
werden. Es war kein Problem, ein ausreichend großes Versteck für den Wagen zu finden.
Abby schaltete den Motor ab und ließ ihre Stirn auf das Lenkrad sinken. Die lange Fahrt hatte sie erschöpft. Sie musste sich erst einmal ausruhen, bevor sie einen Plan schmieden konnte.
25. Weißes Leinen
Die Dämmerung war angebrochen, als Abby aus ihrem erschöpften Schlaf erwachte. Ihr Nacken schmerzte von der ungewohnten Haltung und ihre Füße waren eingeschlafen. Abby richtete sich im Sitz auf. Sie brauchte eine Zeit lang, um sich zu orientieren.
Der Regen hatte während der Nacht nachgelassen und nur noch vereinzelte Tropfen fielen vom Himmel. Am Horizont erschien die fahlgelbe Scheibe der Sonne und versprach einen weiteren heißen Tag.
Abby hatte Hunger und Durst, aber im Wagen fand sie nichts. Als das Blut zurück in ihre Beine gelaufen war, stieg sie aus und streckte sich. Die frische Luft tat ihr gut. Es war zwar noch kühl, aber der Wald strömte einen intensiven Duft aus, der ihre Sinne weckte. Allerdings hatte sie immer noch keinen Plan, wie sie Jean befreien wollte.
Ihr Blick wanderte zur Strasse und zurück zum Wagen. Der Renault stand gut verdeckt hinter den Büschen, es bedurfte schon eines unglücklichen Zufalles, sollte er entdeckt werden. Sie beschloss, die Gegend zu erkunden.
Ein schmaler Pfad führte sie in den Wald hinein. Das Unterholz wuchs hier dicht und an manchen Stellen musste sich Abby ihren Weg regelrecht erkämpfen. An einem Erdbruch fand sie einen schmalen Bach mit klarem Wasser, an dem sie ihren Durst stillte, bevor sie weiter ging. Sie verließ sich auf ihr Gefühl und erreichte schließlich freies Gelände.
Vor ihr lag die Plantage. Die Zuckerrohrfelder erstreckten sich, so weit das Auge reichte. Ein hoher Maschendrahtzaun sicherte das gesamte Gelände.
Abby kroch im Schutz eines Felsens näher heran. An einer abfallenden Kante legte sie sich flach auf den Boden. Ihre Augen spähten zwischen den Steinen hindurch.
Sie sah einen weitläufigen Hof aus festgetretener Erde. Ein wunderschönes, weiß gestrichenes Haus im Kolonialstil dominierte mehrere einfache Flachbauten. Besonders auffällig war ein überdimensionales Gebäude mit Wellblechdach. Abby vermutete, dass dort die Arbeiter untergebracht waren. Hütten und kleinere Häuser schienen für die Aufseher und Wächter bestimmt. Aus einem der Häuser stieg träger Rauch zu Himmel empor. Ein schwerer Landrover parkte in der Nähe. Sie beobachtete zwei Männer mit Gewehren, die am Eingang patrouillierten. Sonst sah Abby keinen Menschen, aber es war auch noch früh am Morgen.
Ihr Beobachtungsplatz war gut gewählt. Sie konnte alles überblicken, ohne Angst zu haben, selbst entdeckt zu werden. Irgendwo dort unten wurde Jean gefangen gehalten. Vielleicht war es möglich, sich in die Farm hineinzuschleichen und ihn zu befreien. Zwei Wächter waren bei weitem nicht genug, um den ganzen Zaun zu bewachen. Im Schutz der Dunkelheit würde sie eine Chance haben.
Blechernes Hämmern zerriss die Stille. Ein weiterer Mann war aus einem der Häuser getreten und schlug mit einem Eisenrohr auf den Blechdeckel einer Mülltonne. Der plötzliche Lärm fuhr Abby in die Glieder. Ihr Herz raste in der Brust. Sie wälzte sich auf den Rücken und atmete tief ein und aus. Als sie sich wieder umdrehte, sah sie wie dreißig bis vierzig Männer und Frauen aus dem großen Flachbau ins Freie getrieben wurden. Es war eine Prozession der Verfluchten, die da im Hof Aufstellung nahm. Alles verlief in absolutem Schweigen. Nur die verdammte Blechtrommel schlug noch immer nervtötend. Jean war nicht unter diesen bedauernswerten Kreaturen, die mit den Füßen schlurften und sich bei dem Versuch, einen Platz zu finden, gegenseitig anrempelten. Abby konnte ihre Augen nicht sehen, dafür war die Entfernung zu groß, aber die Körpersprache der Sklaven zeigte ihr, dass diesen Menschen der Wille gebrochen worden war. Sie waren nicht mehr als Geister, die in zerlumpter Kleidung auf ihren Herren warteten.
Noch ein Mann tauchte auf. Groß und bullig, hielt er eine Peitsche in der Hand. Er brüllte die Gefangenen an, die sich langsam in Bewegung setzten. Wer nicht schnell gut ging, bekam die Peitsche zu spüren und das war fast jeder, denn Männer wie Frauen bewegten sich, als würden sie durch zähen Schlamm waten.
Abby verfolgte, wie die Gestalten immer kleiner wurden und dann in den Feldern verschwanden. Wo war Jean?
Wenn sie doch nur ein Fernglas hätte.
Der
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