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Traumtagebuecher

Traumtagebuecher

Titel: Traumtagebuecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Sarafin
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noch überlegte, wie ich mich aus der Situation winden und mir einen weiteren Besuch bei Simons ersparen konnte, hielt mein Führer abrupt an und drehte sich zu mir. »Das war entweder verdammt mutig oder verdammt dämlich!«
    Er grinste mich an. »Hast du noch Hunger?«
    »Wie ein Bär«, antwortete ich ehrlich, ohne dass die Worte den Umweg über mein Gehirn genommen hatten.
    »Ist nur ein Käsebrot, aber besser als nichts.« Er reichte mir ein sauber verpacktes Lunchpaket und verwirrte mich vollends.
    »Danke.« Ich biss in das Brot. Es war toll. Echtes Vollkornbrot mit Butter und Gouda. Das Beste, was ich seit dem Tod meiner Eltern gegessen hatte.
    »Wir haben beschlossen, dir ein wenig unter die Arme zu greifen.« Erst jetzt bemerkte ich, dass in der Nähe noch andere Blaugekleidete, Jungs und Mädchen, standen und mich angrinsten. Soviel zu meiner Paranoia, die immer aufmerksam war und so.
    »Du stehst auf ihrer Liste, auf Dominiques und Pauls.«
    »Schon klar!« Ich biss ein weiteres Stück ab. Doch es schmeckte nur noch halb so gut. Trotzdem kaute ich verbissen weiter. Wer weiß, wann ich mal wieder so ein richtiges, echtes Brot kriegen würde?
    »Ich danke euch!« Ich nickte der kleinen Gruppe zu, die daraufhin noch mehr strahlte. »Und dir besonders für das Brot. Sehr nett von dir.« Genaugenommen das Netteste, was seit Jahren jemand für mich gemacht hatte, aber das würde ich nicht laut sagen. »Aber bringt euch nicht in deren Schussfeld. Ich regele das schon.«
    »Wird schwer bei DEM Bruder.« Stiefbruder! Mensch, so schwer war das doch nun wirklich nicht. »Er hat das gesamte Team auf seiner Seite.«
    »Und die Cheerleader«, fügte ein Mädchen mit Sommersprossen und irgendwie fröhlich wirkendem Pferdeschwanz hinzu. Selbst ihre Stimme klang aufmunternd und gut gelaunt. In der Selbstmord-Hotline hätte sie selbst die einfachen Anrufer zum Ende animiert. Ich mochte sie auf Anhieb.
    Trotz der harten Fakten fühlte ich mich plötzlich ein wenig besser und verabschiedete mich, untermalt vom Klingeln, mit einem Hinüberwinken zu der blauen Schlumpffamilie. Dann kehrte ich durch die Tür zurück in die Realität, in der ich mich für Sekunden wie »Alice im Wunderland« fühlte. Bis ich begriff, dass ich zufällig in einen Strom Siebtklässler geraten war.
    Ein Blick auf meinen Stundenplan verriet mir, dass jetzt Deutsch an der Reihe war. »Die kleine Aula!«, klärte mich einer der jüngeren Jungs in meiner unmittelbaren Nähe auf. Offenbar hatte er meine Skepsis bemerkte.
    Tatsächlich liefen alle recht gezielt zusammen und niemand bog in die Klassenräume ab. »Am zweiten Tag ist immer die Wahl zum Stufensprecher.«
    »Hipp Hipp …«, murmelte ich mit so viel Unbegeisterung, wie ich aufbringen konnte.
    »Wir hassen es alle«, der Junge schenkte mir ein Lächeln, als ich trotz seiner Erklärung langsam zurückfiel. Vielleicht war es in der Schule hier doch nicht so schlimm. Es schien ja noch normale Menschen zu geben. Mit einem Blick scannte ich meine Umgebung nach den Unnormalen. Erst nachdem ich mich davon überzeugt hatte, dass weder Jonah noch mein Stiefbruder in der Nähe waren, setzte ich mich wieder in Bewegung. Dieses Mal musste ich nicht einmal mehr aufpassen, um im richtigen Strom zu bleiben, denn alle wollten in die gleiche Richtung, und eine kleine Menge ballte sich am Eingang zu der kleinen Aula, die vom Eingangsfoyer abging.
    Ich schob mich von der Seite hindurch, sparte wertvolle Sekunden, nur um enttäuscht festzustellen, dass der Saal nicht bestuhlt war. Na toll! War ja klar, die Wahl des Stufensprechers kam wahrscheinlich auch jedes Semester aufs Neue ganz überraschend. Da hatte sie Ähnlichkeit mit Weihnachten. Nur wurde es Weihnachten sicher nie so voll. Die kleine Aula war anscheinend auf exakt 400 Schüler ausgelegt – stehend. Ätzend!
    Ich stellte mich in das hintere Drittel, wo sich nicht ganz so viele Menschen drängten. Von dort verschaffte ich mir einen Überblick darüber, wo David und seine Anhänger waren, um mir dann einen Platz genau auf der anderen Seite des Raumes zu suchen. Dazu schob ich mich zwischen zwei Gruppen hindurch und gelangte zu einem kleinen Vorsprung, der meine Linke schützte und mich vor Angriffen von hinten bewahrte. Blieben nur rechts und vorne zu kontrollieren, wobei vorne kein Problem darstellte. Denn ganz vorne betrat Simons die Bühne und erntete verhaltenen Applaus, als er zum Mikrofon trat.
    »Liebe Schüler und Schülerinnen. Wie jedes Jahr

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