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Traumtagebuecher

Traumtagebuecher

Titel: Traumtagebuecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Sarafin
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anderen an und ließ das Gegibbel der Mädchen über mich ergehen, die sich darüber ausließen, wie gut Mister Schneider in seinem schwarzen Anzug mit schwarzer Krawatte ausgesehen hatte. Meiner Meinung nach war der Englischlehrer einfach nur passend angezogen. So konnte er wenigstens sofort auf die Beerdigung der Schüler gehen, die er totgeredet hatte.
    Gab es hier eigentlich kein anderes Thema als Männer? Doch! Als das Thema auf Jungs kam, fiel ein Name, ließ mich aufschauen und mitten im Schritt verharren. Jonah! Einen Augenblick verharrte ich unentschlossen, dann beschloss ich, einen Bogen um ihn zu machen. Auch wenn das bedeutete, nach draußen und beinahe einmal um die ganze Schule zu gehen, um in den nächsten Unterrichtsraum zu gelangen.
    Fünf Minuten später beglückwünschte ich mich zu dieser weisen Entscheidung. Sie zeigte nicht nur, dass ich erwachsen wurde, sondern der dabei aufgenommene, unverbrauchte Sauerstoff half mir auch dabei, wach zu bleiben. Denn in Spanisch versuchte mein Gehirn ernsthaft abzuschalten. Ich erwischte mich sogar dabei, wie ein- oder zweimal meine Gesichtszüge einschliefen. Das lange Klingeln zur Mittagspause rettet mich aus der Lethargie. Nicht während der Schulstunde vom Lehrer angebrüllt zu werden und immer auf der Hut sein zu müssen, war neu und irgendwie nett, aber nicht unbedingt hilfreich für den Lernfortschritt.
    Ich schloss mich den anderen an und versuchte mich möglichst unauffällig zu geben. Den halben Vormittag lang hatte ich mir überlegt, wie ich mich in der Mittagspause verhalten sollte. Ich kannte noch niemanden – Korrektur: Ich kannte nur Idioten oder Leute, die mich für eine Idiotin hielten – und hatte niemanden, mit dem ich zusammen essen, quatschen und abhängen konnte. Es schien keiner aus meinem Kurs sonderlich erpicht auf mich oder meine Gesellschaft zu sein. Also schnappte ich mir ein Tablett und stellte mich in der Schlange an. Immerhin roch das Essen nicht schlecht. Bei den Getränken konnte man wählen zwischen Milch, Wasser und einem nachgemachten Billig-Cola-Mix, es gab einen Salat der in Dressing ertränkt worden war, dazu entweder Pizzastücke mit verschiedenen Belägen, ein Veggie-Gericht oder Reis mit undefinierbarer Sauce und Fleisch. Ich entschied mich für das Veggie-Gericht, einem halbherzig zusammengestellten Burger mit einem Klops aus lauwarmem Gemüse in der Mitte. Immerhin schmeckte er besser als die letzten Mittagessen im Hause de Temples. Ich setzte mich auf einen freien Platz in der Nähe von zwei Mädchen und betrachtete die Menge. Ob sie wussten, was für ein Glück sie hatten? Bei diesem schönen Wetter konnten sie sogar im Hof sitzen, in der Sonne und sich beim Essen unterhalten. Ich schloss die Augen und genoss die Hintergrundgeräusche der Schüler. Es war wirklich toll. Zumindest einen Moment lang.
    »Hei, de Temples …«
    »Hallo, Paul!«
    Ich drehte mein Gesicht in seine Richtung, ohne, dass ich meine Augen zu Rate ziehen musste. Eine einfache Übung, denn er stand in der Sonne. »Falls du vorhast, den Ketchup zu benutzen, rate ich dir dringend vorher Rücksprache mit Simons zu halten, Paul.«
    »Drohst du mir etwa?«
    Ich konnte hören, wie die beiden Mädchen hektisch ihren Platz verließen. Soviel zur Zivilcourage und dem Zusammenhalt unter Frauen. Ich öffnete meine Augenlider gerade weit genug, um den Best-Buddy meines Stiefbruders sehen zu können.
    »Es ist nur ein gutgemeinter Ratschlag.«
    »Dann ist ja gut.«
    Ich hatte mich unter dem Ketchupstrahl hinweg geduckt und die Reste meines Veggieburger geworfen, bevor Paul registriert hatte, dass er getroffen worden war.
    »Du verdammte …«
    »Gibt es ein Problem?« Superschlumpf Justus hatte sich unbemerkt genähert und taxierte mein Gegenüber und mich mit einem Blick, der bei meinem Bruder sicherlich furchteinflößend gewesen wäre.
    »Nein«, versicherte Paul.
    »Sicher? Du hast da einen Burger auf deiner Schulter …« Die Sachlichkeit in Justus Stimme war bewundernswert. Genau wie seine Fähigkeit Schlussfolgerungen zu ziehen, als er sich wieder mir zuwandte. »Miss de Temples, schön, Sie wiederzusehen. Folgen Sie mir bitte!«
    Unter Pauls grimmigem Blick sogar sehr gerne. Die leisen Pfiffe aus dem Pulk seiner Anhänger, die ganz in der Nähe das mutige Mobben beobachtet hatten, untermalten meinen Abgang. Schon wieder in Begleitung der Schüler-Aufsicht.
    Justus schritt so schnell ins Gebäude hinein, dass ich ihm kaum folgen konnte. Während ich

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