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Traumtagebuecher

Traumtagebuecher

Titel: Traumtagebuecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Sarafin
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nicht ganz doof – oder taub. »Aber der Streit …«
    »Wir streiten seit unserer Eheschließung. Beinahe jeden Tag seit acht Jahren.« Ihr Lächeln war so gequält, wie ich es nie zuvor gesehen hatte. Es machte ihre aristokratischen Züge menschlicher, als es aller Dreck und alle Kratzer konnten.
    »… aber …« Sie hatten doch wegen mir gestritten? Weil Meg mich nicht hier haben wollte?
    »Es ging nicht um dich … nicht wirklich …« Sie schwieg einen Moment lang. »Es tut mir leid, dass du es mitanhören musstest.«
    Sie entschuldigte sich bei mir? Weil sie mich nicht mochte, oder obwohl sie mich nicht mochte? Jetzt war ich ernsthaft verwirrt. »Aber … ich verstehe nicht … warum dann?«
    Als sie nicht antwortete, bot ich ihr einen Ausweg. »Wegen deines Kinderwunsches?« Er war ein offenes Geheimnis und mindestens in 50% der Streitfälle Auslöser. In der anderen Hälfte wurde er als Vorwurf oder Anklage geäußert.
    Meg schwieg immer noch, aber ihre Miene veränderte sich, wurde erst unlesbar, dann weicher. Schließlich schüttelte sie den Kopf und ging an mir vorbei. Dabei murmelte sie etwas, was ich ganz sicher nicht hatte hören sollen. »Gott, du bist ihr so ähnlich …« Es klang wie ein Vorwurf.

    Die Worte verfolgten mich bis hinauf in mein Elfenzimmer und zum Spiegel. Aber welche Ähnlichkeit war gemeint? Meine schwarzen Haare hatte ich von Dad, meine hellgrauen Augen von niemandem. Zumindest von keinem, den ich kannte. Auch ansonsten konnte ich keine Ähnlichkeit mit meiner Mutter entdecken. Ich presste die rechte Handfläche auf die kühle Spiegeloberfläche, als könne mir der direkte Kontakt dabei helfen, dass Geheimnis zu lüften. Aber ich konnte mich nicht mehr erinnern. Wenn ich es versuchte, reihten sich wirre Bruchstücke der Vergangenheit aneinander, verketteten sich zu Halbwahrheiten und unscharfen Bildern. Die Gesichtszüge meiner Eltern verschwammen vor meinem inneren Auge und das Äußere hatte keine andere Gedächtnisstütze, als die getrübten Erinnerungen einer Achtjährigen. Es gab nicht ein einziges Foto der beiden. Sie alle waren ebenso verbrannt wie meine Eltern. Kein Wunder, dass ich immer Albträume hatte. Bei diesen großartigen, euphorischen Gedanken riss ich mich von meinem Anblick los und drehte mich gen Bett. War das Ungetüm bei Tage bestenfalls seltsam, wurde es in der elektrischen Beleuchtung unheimlich. Mit Schatten zwischen den gigantischen Kissenschluchten, Deckenhügeln, und mit seltsamen Musterungen auf dem lackierten Holz. Es gab so viele wirklich schicke Betten. Welche mit Bettkasten oder mit zweiter Matratze zum Rausziehen. Meinetwegen sogar in rosa. Leider wurde mein »rosa« im Licht der Energiesparlampe wirklich dunkel. Und die Lücke zwischen Bett und Boden so finster, dass ich manchmal gar nicht wusste, wo die Nacht begann.
    Tief durchatmend überbrückte ich die drei Schritte und sprang im hohen Bogen ins Bett – in der Hoffnung, nicht auf einem Pilum der 9ten Legion zu landen. So ein Wurfspeer hätte mir zu meinem Glück noch gefehlt.
    Andererseits hätte er verhindert, dass ich noch einmal aufstehen musste, um das große Licht auszumachen. Ich ersetzte es durch die Schreibtischlampe, die Spiegel-LEDs und eine Nachtleuchte. Das musste genügen.
    Trotzdem dachte ich bei meinem nächsten Sprung ins Bett daran, dass ein Speer vielleicht eine gute Alternative zu meiner Angst vor der Dunkelheit und den Albträumen war. Aber er kam nicht – zumindest nicht in der Realität.

Kapitel 4
    Ich fühlte mich wie gerädert. Also eigentlich so, wie jeden Morgen. Da war es eigentlich auch egal, dass das Frühstück in absoluter Stille stattfand. Ganz schön viele »eigentlichs« dafür, dass ich gerade mal eine halbe Stunde lang wach war.
    Ich versuchte mit Meg Blickkontakt aufzunehmen, aber sie hielt sich verbissen an ihrer Tasse Kaffee fest. Das Porzellan war fast so weiß wie ihre Fingerknöchel.
    Klaus, der doch noch irgendwann wiedergekommen sein musste, vermutlich zwischen drei und sechs Uhr, da hatte ich dann tatsächlich mal geschlafen, hatte sich tief hinter der Tageszeitung verschanzt. Er musste wieder auf der Wohnzimmercouch übernachtet haben. Zumindest der Decke und den Kissen nach zu urteilen.
    Er schien meinen Blick zu spüren, denn er schaute auf. Ich sah hastig weg und tat beschäftigt, indem ich einen Löffel Zucker in meinen Tee schaufelte. Erst nach dem Umrühren fiel mir ein, dass ich ihn bereits gesüßt hatte. Verflixt, diese Stille war

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