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Traumtagebuecher

Traumtagebuecher

Titel: Traumtagebuecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Sarafin
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drüber nachdachte, schien sich das heimliche Zuhören wirklich zu meiner schlechtesten Angewohnheit zu entwickeln – und das sollte wahrlich etwas heißen.
    Ich presste mein Ohr fester auf das Holz.
    »Was war denn das schon wieder?«
    »Das geht dich gar nichts an.«
    »Ich bin euer Bruder. Der ältere und weisere.« Schade, dass Max nur übers Wochenende blieb, nur zu gerne hätte ich ihn gegen meinen anderen Stiefbruder getauscht.
    »Du bist MEIN Bruder.« Ich hasste David dafür, wie er die Betonung setzte. Hei, wenn ich das mache, ist das etwas anderes. Aber das hier versetzte mir einen Stich in der Herzgegend.
    »Wolltest du dich nicht entschuldigen?«
    »Habe ich doch!«
    Oh … Ich brauchte keinen Superman-Blick, um zu wissen, wie Max David ansah … den Blick kannte ich.
    »Sie ist eine unsensible, launische Person.« Okay, das war vermutlich das Netteste, was eine wirklich wütende Person je über mich gesagt hatte.
    »Sie hat sechs Jahre unschuldig in Saint Blocks verbracht.«
    »Unschuldig.« David schnaubte.
    »Warum bist du wirklich sauer? Weil sie dich heute erwischt haben?«
    Eine wirklich gute Frage. Sie sprach mir aus der Seele. So laut, dass ich beinahe die Schritte überhört hätte. Ich duckte mich und glitt hinter die nächste Säule. Die Schritte, Frauenschritte, hallten durch das große Foyer, führten zur Küche und kurz darauf wieder zurück zum Wohnzimmer. Ich nahm meine Position wieder ein und verfluchte Meg im Stillen dafür, dass sie ausgerechnet in diesem Augenblick Getränkenachschub hatte holen müssen.
    Wie viel kann man in zwei Minuten verpassen?
    Anscheinend eine ganze Menge, denn Max` nächster Satz hatte nichts mehr mit der spannenden Frage zu tun. »Du weißt, dass ich dich beneide, oder?«
    »Ich bin nicht beneidenswert, Bruder. Eher verdammt.«
    »Du hast ein Rad ab!«
    »Manchmal ist das Schicksal ungerecht.«
    »Weise Worte!«
    Sprachen die beiden noch über mich, oder hatten sie inzwischen ganz das Thema gewechselt?
    Wenn sie mir diese Chance angeboten hätte, wäre ich begeistert gewesen.«
    »Leck mich!«
    Die nächste Bemerkung zu diesem zweideutigen Angebot von David, welches ich ihm eben auch unterbreitet hatte, ging in Max` Lachen unter. Und nur die Aufbruchsstimmung im Wohnzimmer hielt mich davon ab, ins Zimmer zu stürmen und die beiden zur Rede zu stellen. Ersatzweise stürmte ich in mein eigenes Zimmer.

    Die Hausaufgaben waren gemacht, das Zimmer aufgeräumt. Ich hatte Staub gewischt und versucht das allgegenwärtige Rosa-Pink zu ignorieren. Bis zur Dusche war es mir ganz gut gelungen, doch als ich den rosa Blumenknauf für das warme Wasser aufdrehte, rechnete ich für eine Sekunde mit einem Schwall Feenstaub und verfluchte Meg abermals im Stillen.
    Trotzdem säuberte ich hinterher die Duschkabine, arrangierte die Rosenseifen neu und putzte mir die Zähne. Gott sei Dank nicht mit einer Lillifee-Zahnbürste und Erdbeerzahncreme. Erst dann wischte ich mit einem Lederlappen über den ebenfalls geblümten Spiegel, um die beschlagene Oberfläche vom Kondenswasser zu befreien. Unwillkürlich verharrte ich und starrte die Spiegelbild-Liz an. Sie war leichenblass und ihre Pupillen ein wenig zu groß.
    Ich ließ den Lappen sinken. Natürlich hatte ich das Putz-Ritual eingeführt, um mich zu beruhigen und mir selbst die Furcht vor dem Schlafen zu nehmen. Das ich überkompensierte, war mir vollkommen klar. Aber die Erkenntnis, dass ich in dieser Familie vielleicht nicht die einzige war, war trotzdem ein Schock.
    Ich drehte mich einmal um meine eigene Achse, betrachtete die liebevoll angebrachten Spitzengardinen, die Lampe, die von Form und Muster zu den Blüten passte und öffnete die Tür zu meinem Zimmer. Auch hier schrie jedes Detail danach, dass hier jemand etwas absolut richtig machen wollte, etwas wieder gut. Und im Alter von vier Jahren hätte ich diese Zimmer bestimmt ganz furchtbar niedlich gefunden.
    Auf einmal fehlte mir die Kraft, weiter so zu tun, als sei alles in Ordnung und als könne ich mich überhaupt ablenken. Wem zum Geier machte ich etwas vor? Absichtlich achtlos ließ ich den Lappen ins Waschbecken fallen, knipste das große Licht aus und sprang mit Anlauf ins Bett. Im Halbdunkel versucht ich mich auf den Gedanken an Meg zu konzentrieren, darauf, wie viel Mühe sie sich mit dem Zimmer gegeben hatte – und mit der Tochter ihrer Schwester. Aber es klappte nicht. Es war kein schöner Gedanke, denn genaugenommen hatte sie mich bei der erstbesten

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