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Traumtagebuecher

Traumtagebuecher

Titel: Traumtagebuecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Sarafin
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Gelegenheit fallen lassen und nach Saint Blocks abgeschoben. Und was nutzte mir ein rosa Zimmer, wenn David mich immer noch hasste und der Teufel Jonah auf dieselbe Schule ging wie ich?
    Ich seufzte, drehte mich um und überließ mich meinen bösen Fantasien. Aber Karma wird ja ohnehin überbewertet.

    Der Schulflur war immer noch so ekelhaft beleuchtet. Hell und dunkel wechselten sich ab, aber irgendwo lauerte etwas. Hinter mir oder vor mir, das war hier die Frage.
    Ich versuchte einen der finsteren Schatten zu durchschauen, aber er war so tief, dass er genauso gut ein schwarzes Loch in der Realität sein konnte. Als ich wieder hochsah, waren die Türen zu den Klassenzimmern offen und boten meinem unbekannten Feind noch mehr Versteckmöglichkeiten. Erst jetzt fiel mir auf, dass sich Hell und Dunkel vermischten, zerflossen, ineinander übergingen, und sich langsam veränderten. Es gab keine festen Grenzen, kein wahr oder falsch, keine Sicherheit im Licht – aber auch keine in der Dunkelheit.
    Ein Schauder lief über meinen Rücken, als ich begriff, dass der einzige Weg nach Draußen durch diesen Gang führte. Licht oder Dunkelheit? Ich trat in einen der kleinen Kegel aus Helligkeit und ging in einem Wirbel aus Gegensätzlichkeit unter. Von allen Seiten drängte Wasser auf mich ein, hell und finster, beides tödlich. Ich bekam keine Luft mehr, hing in der Gewichtslosigkeit und würde doch jeden Moment meinen Mund öffnen müssen, um einzuatmen. Aber es gab keine Luft mehr, keinen Sauerstoff, nur den Druck in meinen Lungen, das Zerren an meiner Seele. Panisch trat ich um mich, versuchte hell und dunkel zu treffen und mich zu befreien, schon öffnete sich mein Mund zu einem lautlosen Schrei … Lippen legten sich auf meine …
    Atemlos schreckte ich hoch und starrte in das Halbdunkel meines Zimmers. Es war immer noch rosa, die Matratze immer noch weich und ich lebte ebenfalls immer noch. Meine Brandnarbe prickelte schmerzhaft. Sag ich doch, Karma wird überbewertet!

Kapitel 6
    David hatte eine ganze Woche gebraucht, um die angekündigten Mittel und Wege zu finden. Bisher hatte ich geglaubt, dass es nichts gab, womit er mich wirklich treffen konnte. Aber der Montagmorgen meiner zweiten Schulwoche bewies, dass ich meinen Stiefbruder unterschätzt hatte.
    Um sechs klingelte mein Wecker. Aufstehen und mich in meinen Badeanzug schmeißen, dauerte zwei Minuten, der Weg nach unten eine weitere. Die offene Hintertür war das erste Indiz, dass etwas nicht stimmte. Irritiert betrachtete ich das Schloss und versuchte meinen Geist ebenfalls zum Wachwerden zu animieren. Ich dachte noch an einen Einbrecher, als ich das Geräusch von Wasser hörte. Jemand schwamm.
    Immer noch mehr verwundert als wirklich wütend trat ich aus dem Haus und starrte auf den Pool. David war früher aufgestanden und zog ungeachtet meiner Anwesenheit seine Bahnen im Wasser. Der Anblick traf mich wie ein Schlag ins Gesicht. Einen Moment lang hasste ich ihn – wirklich und wahrhaftig und ohne Abstufungen. Das Gefühl war intensiv und beängstigend. Umso mehr, weil ich mich an meine ursprünglichen Gefühle für ihn und an meine Liebe erinnern konnte. Ein kleiner Rest dieser Emotion hatte mich lange Jahre getröstet, mir über die dunklen Nächte in Saint Blocks geholfen und mich hoffen lassen, dass ich weder vollkommen böse noch vollkommen verloren war. Und jetzt war es weg.
    Die leere Stelle in meinem Inneren schmerzte mehr als die Wut. Langsam füllte sie sich mit Enttäuschung und machte einer Müdigkeit Platz, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Zielsicher hatte mein Stiefbruder meine einzige wirkliche Leidenschaft erkannt. Dass er sich selbst – und mich – dabei degradiert hatte, war ihm wahrscheinlich nicht einmal bewusst. Ein zusätzlicher Schlag gegen mein Ego.
    Einen Moment lang sah ich David zu, wie er die glänzende Oberfläche durchpflügte. Das Schimmern der kleinen Wellen war einladend und erinnerte mich an die Ruhe, die ich beim Schwimmen fand. Der einzige Ort, an dem ich mich seit sechs Jahren immer sicher gefühlt hatte. Im Wasser. Der Gedanke einfach hineinzuspringen und mich wenigstens für eine Sekunde der Geborgenheit hingeben zu können, war äußerst verlockend. Aber die schöne Sekunde würde einen Preis haben, der unbezahlbar war. Zumindest für mich. Andere Mädchen mochten David für einen Helden halten und mit ihm baden wollen, ich nicht. Er würde Erinnerungen auslöschen, die mir lieb und teuer waren, das einzige,

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