Traumtagebuecher
schon lange nicht mehr. Das mochte an dem mitternächtlichen Zuckerschock gelegen haben oder an dem beruhigenden Ticken meiner plötzlich intakten Uhr. Vielleicht aber auch daran, dass ich schlafenstechnisch nicht das einzige Familienmitglied mit Problemen war. Ich fühlte mich so gut und so ausgeruht, es war mir beinahe sogar egal, dass David schon wieder meinen Platz im Pool beanspruchte und seine Bahnen zog.
Aber wohin mit meiner vorhandenen und plötzlich überschüssigen Energie? Aus einer Laune heraus beschloss ich Joggen zu gehen. Schließlich war es ohnehin an der Zeit, meine allgemeine Fitness und Kondition wieder aufzufrischen. Worauf also warten? Ich verwarf das Schwimmtraining und zog ein Sportoutfit über. Dann trabte ich leicht an, die Straße hinab und genoss die Stille. Vielleicht konnte ich mir heute Nachmittag auch irgendwo einen Kurs suchen. Karate wäre gut. Wenn ich mein Zimmer umgestalten könnte, wäre dort auch vernünftiges Training möglich. Eigentlich eine tolle Idee. Ich bog um die erste Ecke und stellte mir vor, wie mein Kinderzimmer aussehen könnte, wenn man es auf eine etwas ältere Bewohnerin eichte. Es wäre ideal und groß genug. Was mich zu dem Schluss brachte, dass ein Umbau die bessere Lösung war. Klaus und Meg mussten nicht wissen, welche Kampfsportarten ich konnte und dass ich paranoid war. Außerdem bekam ich nicht genug Taschengeld für eine teure Vereinsmitgliedschaft oder einen Kurs. Wahrscheinlich würden meine Ersparnisse nicht einmal für eine vernünftige Ausrüstung reichen.
Unter dem Einfluss des geistig befreienden Laufens, formten sich zwei neue Vorsätze für meine zweite Schulwoche: Zimmer neu gestalten und körperliche Ertüchtigung vorantreiben … und … der zweite Vorsatz führte zu einem dritten.
Während sich diese Idee in meinen Gedanken langsam konkretisierte, legte ich an Tempo zu. Doch die Hoffnung, durch die Anstrengung den Gedanken oder doch wenigstens das triumphierende Grinsen von meinem Gesicht zu bekommen, war vergeblich. Ich konnte es immer noch wie eine Grimasse um meine Lippen spüren, als ich mich bis auf den Badeanzug auszog und im Garten unter die Dusche sprang.
Kurz war ich versucht auf kalt zu drehen. Aber mal ehrlich: Was im Pool toll war, war unter einer Dusche eine Quälerei. Ich war eben ein echter Warmduscher. Gott sei Dank nicht der einzige hier. Welche andere Familie hatte schon eine Gartendusche mit einem Warmwasser-Anschluss?
Ein Blick auf meine Uhr verriet mir, dass ich tatsächlich noch genug Zeit für Plan 3 hatte. Fröstelnd aber zielstrebig nahm ich die breite Treppe des Pools. Dankenswerterweise hielt David inne. Sonst hätte er mich umgeschwommen.
»Was TUST du hier?«
»Wonach sieht es aus?«, gab ich pampig zurück.
»Ich trainiere hier.« Er protestierte, klang aber irritiert und ein wenig hilflos. DAMIT hatte er wohl bei seinem grandiosen Plan nicht gerechnet.
»Dann trainiere eben auf der rechten Hälfte und ich nehme die linke. Ist ja groß genug.« Ohne eine Antwort abzuwarten, schwamm ich los. Ich kam genau eine Bahn weit, denn David hatte sich nicht vom Fleck gerührt. Statt eine elegante Wendung hinzulegen, tauchte ich auf und blieb vor ihm stehen. »Was? Willst du Maulaffenfeil halten, oder mich für die Schwimmmannschaft trainieren lassen?«
»ICH trainiere hier.«
»Gibt es hier ein Echo?« Ich sah mich suchend um.
»Das ist nicht witzig, Liz.«
»Nein, damit hast du zum ersten Mal Recht. Ist es tatsächlich nicht.«
Wir starrten uns an, keiner bereit, auch nur ein Stück in seinem Verhalten zurückzuweichen. Wenn wir so weitermachten, würden wir hier noch Aschermittwoch stehen.
»Trainierst du hier für Football?« Ich lehnte mich an den Rand und versuchte dabei möglichst lässig zu wirken.
»Das spielt keine Rolle, ich war zuerst hier.«
»Ganz rational: Ich bin diejenige, die im Schwimmteam ist und der Klaus diese Trainingszeit zugestehen würde. Und ja, ich bin immer noch bereit zu petzen.« Ich dachte an Doktor Slaters Worte und fügte aus Trotz das genaue Gegenteil seines guten Ratschlags hinzu: »Und ganz irrational: Du versuchst mir gerade den einzigen kleinen Freiraum wegzunehmen, den ich habe, meine einzige Leidenschaft – und das werde ich nicht zulassen … wenn du es weiter versuchst, werden wir eben jeden Morgen vor der Schule hier nebeneinander stehen und uns nerven. Deine Entscheidung.«
Ich zuckte mit den Schultern, schwamm noch sechs weitere Bahnen, immer an dem
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