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Traumtagebuecher

Traumtagebuecher

Titel: Traumtagebuecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Sarafin
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Finsternis über die Welt ergossen hatte, die Sonne und die Helligkeit wurden gedämpft von meiner Angst. Es war kalt. Eiskalt. Mein eigenes Zähneklappern riss mich aus der Lethargie.
    Einen Moment lang hatte ich das Gefühl, die Realität hätte sich verändert und vor mir läge ein großer, unterirdischer Komplex, mit Notbeleuchtung und großem Wasserbassin. Dann wieder der dunkle Raum. Ich blinzelte und konzentrierte mich auf die Fakten: Es war Tag, es war hell, es regnete nicht, der hier unterirdisch gestaute Bach gluckerte beinahe fröhlich in seinem steinernen Bett, bis er auf das große Sammelbecken stieß, wo er gestaut wurde – und weit und breit gab es keinen Jonah. Selbst das Schloss der Tür war herausgebrochen, so dass nicht die allergeringste Gefahr bestand, abermals in diesem Raum eingesperrt zu werden. Ich machte einen zögerlichen Schritt nach vorne. Dann noch einen. Bis ich den Sims erreicht hatte, auf dem ich vor über sechs Jahren aufgewacht war. Er war größer und breiter, als ich ihn in Erinnerung hatte, aber immer noch unbequem. Ich kletterte auf ihn, stellte mich hin und bog mich so, dass ich mir an der gewölbten Wand nicht den Kopf stieß. Ja. Dort, ganz oben, beinahe unter der Decke war der Spalt. Er hatte mir damals Halt gegeben und wahrscheinlich das Leben gerettet. Er und der Zufall. Ich musste mich auf die Zehenspitzen stellen, um nach der Lücke tasteten zu können. Die Luft anhaltend betete ich stumm darum, nicht in ein Spinnennetz zu greifen, aber unter meinen Fingerspitzen fühlte ich nur kalten Stein – und schließlich den Spalt. Er war genauso tief und breit, wie ich ihn Erinnerung hatte. Gott sei Dank.
    Niemand würde die Uhr dort zufällig finden, niemand sie vermuten. Und falls es jemals wieder so ein Unwetter wie damals geben und sie fortgespült werden würde … dann war das eben Schicksal.
    Trotzdem beschlich mich ein gewisses Bedauern, als ich sie aus der Tasche ziehen wollte. Aber erst ein Geräusch hinter mir stoppte meine Bewegung und lähmte nicht nur meinen Körper, sondern auch mein Innerstes.
    Jonah!
    Ein Schwall purer Panik brannte durch meine Adern.
    Aber nur eine Sekunde lang. Als ich auf dem Absatz herumfuhr, hatte ich meinen Körper wieder unter Kontrolle. Was auch daran lag, dass ich die Hand so fest um die Uhr geschlossen hatte, dass meine Finger noch stundenlang wehtun würden.
    Jonah. Tatsächlich. Und nur die Tatsache, dass er schockierter aussah als ich mich fühlte, ließ mich die Ruhe bewahren. Langsam und ganz bewusst ließ ich die Uhr los und zog meine Hand aus der Hosentasche. Meine Finger schmerzten. Sehr. Und egal, wie sehr ich versuchte, mich auf meine Wut zu konzentrieren, ich konnte sie beim besten Willen nicht finden. Nur Angst und einen plötzlichen Druck auf meinen Lungen – so als stünde ich kurz vor dem Ersticken. Meine Lippen begannen zu prickeln, als die ersten Schattenpunkte anfingen vor meinen Augen zu flimmern, und das Tick-Tack der Uhr in meiner Hosentasche übernahm den Rhythmus meines Herzens, jede Sekunde schlug durch meine Adern, brannte in meinen Zellen und verband sich mit meinem Puls. Trotzdem kletterte ich von dem Sims. Unelegant, da ich auf einen Angriff oder auf Pseudo-Hilfe gefasst war. Für eine Sekunde befürchtete ich wirklich, Jonah würde mir seine Hand reichen. Aber er stand einfach nur dort, einige Schritte entfernt in der Tür, und sah mir zu. Bewegte sich nicht. Gespenstisch.
    Doch er war kein Gespenst. Einem Gespenst würde der Wind nicht die Haare durcheinanderwehen. Und ein Gespenst würde auch nicht so misstrauisch schauen. Ich ließ ihn nicht aus den Augen. Nicht einmal zu blinzeln wagte ich, während ich näher zu ihm trat und wappnete mich gegen alles. Hohn und Spott, herausfordernde Avancen, einen Angriff. Einfach alles. Aber Jonah trat zur Seite. Gerade weit genug, um mir die Möglichkeit zu geben, an ihm vorbei zu gelangen. Die schmale Lücke, durch die ich in die Freiheit blicken konnte, war so verlockend, wie nichts zuvor. Ich konnte sogar das Sonnenlicht sehen, welches auf die Treppe fiel. Es versprach Wärme und Sicherheit. Doch dafür würde ich am Teufel selbst vorbeigehen müssen. Nah. Mein Herz begann schneller zu schlagen. Wirklich nah.
    Mein Puls raste, unwillkürlich wog ich die potentielle Gefahr gegen meine Chancen ab. Leider half der Gedanke daran, dass ich die Gefährliche von uns beiden war, dabei kein bisschen. Jonah hatte mich schon einmal hier unten gehabt, und die Erinnerung an

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