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Traumtagebuecher

Traumtagebuecher

Titel: Traumtagebuecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Sarafin
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meinen Beinah-Tod lähmte mein Ego und fachte meine Angst an. Trotzdem würde ich auf keinen Fall den ersten Schritt machen und ihn angreifen. Nicht solange er mir nichts tat. Das war ich meiner eigenen Moral und meiner persönlichen Integrität einfach schuldig.
    Falls Jonah meine Angst und Unsicherheit erkannte, so ließ er sich jedenfalls nichts anmerken. Aber vielleicht war er auch einfach zu sehr mit seinen eigenen Gedanken und Gefühlen beschäftigt. Zu meiner Überraschung schienen sie sich nicht um meine Uhr zu drehen, oder darum, wie er seinen Vorsatz, meinen Arsch wieder nach Saint Blocks zu bekommen, in die Tat umsetzen konnte. Immer noch konnte ich in seinen unglaublich blauen Augen keine negative Reaktion erkennen. Nur das Erstaunen darüber, mich hier vorzufinden, gepaart mit einer Spur Herablassung und einem Hauch … Respekt?
    Ich trat einen halben Schritt näher an Jonah heran. Dann noch einen. Jetzt war ich ihm näher, als ich je hatte freiwillig sein wollen. So nah, dass ich die Wärme seines Körpers spüren konnte. Er roch immer noch leicht nach Vanille. Sinnlich. Zum ersten Mal verließ sein Blick meine Augen. Und fixierte meinen Mund. Unwillkürlich begannen meine Emotionen zu flattern. Ich presste meine wieder prickelnden Lippen fest aufeinander. Trotzdem kam ich nicht gegen meine Gefühle an. Und sie gingen definitiv in die falsche Richtung. Verdammt. Ich entwickelte mich von einer paranoiden Einzelgängerin in eine Psychopathin, die auf gefährliche Typen abfuhr.
    Woher ich die Kraft nahm, den nächsten Schritt zu machen, weiß ich nicht. Aber in einem Moment fragte ich mich, wie es wäre, Jonah zu küssen, im nächsten Augenblick war ich an ihm vorbei, und er sah wieder hoch. Die Wut in seinem Blick katapultierte mich in die Realität zurück. Was hatte ich mir eben bloß gedacht?
    Ich atmete tief ein, und sofort verschwanden auch das beklemmende Gefühl und der Druck auf meinen Lungen. Dank dieser Befreiung widerstand ich der Versuchung, Jonah nicht aus den Augen zu lassen. Ich kratzte geistig alles an Selbstwertgefühl und Beherrschung zusammen, was ich noch aufbringen konnte, und zwang mich dazu, dem Feind den Rücken zuzuwenden und langsam nach oben zu gehen. Und tatsächlich ließ mich Jonah gehen. Einfach so. Ohne jedes Wort. Zwar konnte ich seine Blicke in meinem Rücken spüren, aber außer dass meine Lippen wieder zu prickeln begannen und nervöse Schmetterlinge in meinem Körper zu fliegen schienen, geschah nichts. Stufe für Stufe wurde diese Tatsache unheimlicher. Doch erst, als ich oben angelangt war und auf der kleinen Lichtung stand – inmitten von Sonnenschein und normalen Waldgeräuschen – fielen Schmetterlinge und das unheimliche Gefühl von mir ab.
    Gestärkt von der Wärme fühlte ich mich wieder zuversichtlich genug, um eine Konfrontation anzustreben. Ich drehte mich zur Treppe. Die Tür war geschlossen. Ich blinzelte. Doch das Schloss blieb intakt. So intakt, wie ein stabiles Schloss in einer Eisentür nur sein konnte. Wieder schloss ich die Augen und öffnete sie Sekunden später. Das konnte nicht sein, oder? Unwillkürlich griff ich mir an die Lippen. Sie waren grabeskalt. Meine Finger begannen zu zittern, und ich biss in meinen Zeigefinger. Der Schmerz war real. Hatte ich vorher geträumt? Einen Moment lang spielte ich mit dem Gedanken, die Treppen hinunterzugehen und zu überprüfen, ob die Tür überhaupt real war – oder Jonah.
    Dann überwog die Vernunft und ich tat etwas, was ich seit sechs Jahren nicht mehr getan hatte. Ich drehte mich um und floh.

    Mein Herz raste immer noch, als ich an dem kleinen Teich ankam, der vor sechs Jahren zu meinen absoluten Lieblingsorten gezählt hatte. Seit meiner Rückkehr aus Saint Blocks hatte ich es vermieden herzukommen, um nicht zufällig Klaus bei seinen »Ruhestunden« über den Weg zu laufen. Aber genau jetzt war dies hier genau der Ort, an dem ich sein wollte. Sonnig, mit einer Sitzgelegenheit und der Möglichkeit des direkten Wasserkontakts. Außerdem komplett jonahfrei. Eine zweite Konfrontation, etwa im Garten oder bei unserem Pool hätte ich ebenso wenig überstanden, wie einen weiteren fröhlich-freien Dialog mit meinem charmant-charismatischen Stiefbruder David.
    Ich ignorierte die kleine Holzbank, zog meine Schuhe aus und setzte mich ans Ende des kleinen Stegs, der ein Stückchen ins Wasser ragte. Vorsichtig streckte ich meine Zehen in das Wasser und rümpfte die Nase. Also DAS war wirklich kalt. Beinahe so

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