Traumzeit
ihn. Locky tat, was man ihm befahl, ohne viele Fragen zu stellen.
»Ich habe leider keine guten Nachrichten, Mr. MacGregor«, sagte er. »Es geht um Jacko Jackson.«
»Ja? Was ist?«
Lockys Augen wanderten zu den Alkoholflaschen und verweilten dort einen Augenblick, dann richteten sie sich wieder auf seinen Herrn. »Jackos Schafe haben die Räude, und er wird in diesem Jahr keine Wolle verkaufen. Soweit, so gut.« Locky blickte wieder auf die Flaschen und fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen.
»Und?« fragte Colin. Er wußte, daß andere Farmer, zum Beispiel Westbrook und Frank Downs, mit ihren Arbeitern anstießen und andere Vertraulichkeiten zuließen, aber er trank grundsätzlich nicht mit seinen Leuten. »Heraus mit der Sprache«, sagte er, »was ist los mit Jacko?«
»Er hat Ihr Angebot abgelehnt – ich meine, den Kredit.«
Colin sagte: »Aber wie kann er das? Keine Bank in der Kolonie wird ihm Geld leihen.«
»Tja, Sir, so wie es aussieht, gibt ihm Hugh Westbrook Geld. Jacko hat sich von Westbrook Geld geliehen.«
Colins Gesicht verdüsterte sich. Als Westbrook vor etwa zwölf Jahren hier im Distrikt erschienen war, hatten ihm Colin MacGregor und alle anderen Farmer keine Chance gegeben. Aber Westbrook setzte sie in Erstaunen. Er wirtschaftete mit Erfolg auf einem Land, auf dem bis dahin jeder vom Pech verfolgt worden war. Merinda wurde im Laufe der Jahre zu einer blühenden und begehrenswerten Farm. Zu dem Land gehörten das beste Ufergelände der ganzen Gegend, hervorragende Weiden und jede Menge Brunnen.
Es ist nicht gerecht, dachte Colin, daß Westbrook so großen Erfolg hat, während Christina in ihrem kalten Grab liegt.
»Gut«, sagte Colin und entließ den Mann. Er blickte nachdenklich in sein Glas, und als er wieder den Kopf hob, sah er einen Reiter in der Ferne. Beim Näherkommen erkannte er, daß es eine Frau war. Sie saß aber nicht seitwärts im Sattel, sondern ritt wie ein Mann. Deshalb konnte es nur Pauline Downs sein.
Colin ahnte, daß Pauline sich Chancen ausrechnete, die nächste Mrs. MacGregor zu werden. Er erinnerte sich noch gut an seinen letzten Besuch auf Lismore. Er wollte mit ihr über die fünftausend Morgen Land sprechen, einen Wald am Südrand der Berge. Er befand sich seit dreiunddreißig Jahren im Besitz der Downs; der alte Downs hatte ihn gekauft, als er sich 1840 seine Ländereien im westlichen Distrikt sicherte. Die meisten Leute hielten den Wald für nutzlos. Er eignete sich nicht als Weideland, es gab dort nicht genügend Wasser, und man konnte weder Weizen noch andere Getreidearten anbauen. Aber etwas sprach für diesen Wald, und das machte ihn für Colin unbezahlbar: Er bildete die Nordgrenze von Merinda.
Colin erinnerte sich noch, wie glücklich und strahlend ihn Pauline begrüßt hatte, wie sie ihn mit ihrem Charme und ihren weiblichen Künsten bezaubern wollte. Als er ihr den Zweck seines Besuchs nannte, hatte sich ihr Verhalten schlagartig geändert. Sie erklärte sehr kühl und förmlich, sie wisse nicht, ob ihr Bruder verkaufen werde. Außerdem sei sie nicht sicher, ob sie Frank dazu raten solle.
Colin hatte einmal tatsächlich kurz in Erwägung gezogen, Pauline zu heiraten. Aber als er an ihren Charakter dachte – die Neigung zu Unabhängigkeit, ihr leidenschaftlich kämpferisches Wesen –, entschied er, eine Ehe mit ihr sei ein Fehler. Colin suchte weniger eine Frau und Partnerin, sondern mehr eine Mutter für seine Kinder. Ihm kam es darauf an, daß die nächste Mrs. MacGregor eine nachgiebige und fügsame Frau war, die viele Kinder bekam. Darüber hinaus sollte sie keine Forderungen stellen. Außerhalb des Schlafzimmers und des Kinderzimmers würden sie wenig miteinander zu tun haben. Pauline Downs entsprach diesen Vorstellungen nicht.
»Guten Tag, Mr. MacGregor«, rief sie und zügelte Samson, »ich hoffe, ich störe nicht?« Sie musterte Colin, der groß und aufrecht in der Sonne stand. Der leichte Wind fuhr ihm durch die pechschwarzen Haare. Zu ihrer Überraschung spürte sie sexuelles Verlangen.
»Sie stören keineswegs, Miss Downs. Ich befreie das Land von den Schädlingen. Möchten Sie mir dabei Gesellschaft leisten? Ich habe noch genug zusätzliche Gewehre.«
»Ich brauche kein Gewehr«, erwiderte sie mit einer Geste auf ihren Bogen.
»Aber Miss Downs«, sagte Colin, »Pfeil und Bogen sind doch keine Waffen für eine richtige Jagd.«
»Ich treffe alles mit einem Pfeil, was Sie mit einer Kugel treffen können.«
Er
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