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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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der ältesten und reichsten Familien von Victoria, beneidet ihre Zofe!
    Aber, so mußte sie sich eingestehen, es ließ sich nicht leugnen!
    Schlafen sie miteinander? überlegte sie. Lieben sie sich, Elsie und ihr hübscher junger Verehrer? Umarmen sie sich jedesmal, wenn sie sich treffen? Laufen sie dann zu einem versteckten Platz, wo sie sich küssen, streicheln und die Hitze, Härte und Weichheit ihrer Körper spüren?
    Pauline schloß die Augen und sank tiefer in das heiße Wasser. Sie ließ die Hände über die Schenkel gleiten und spürte wieder das Sehnen. Dieses Sehnen wurde allmählich zu einem körperlichen Schmerz. Es war ein Verlangen, eine Begierde und das unstillbare Bedürfnis, in Hugh Westbrooks Armen zu liegen. Ihre Gedanken kreisten um die Hochzeitsnacht. Sie rief sich den einzigen Kuß an jenem regnerischen Nachmittag am Fluß ins Gedächtnis und spürte wieder seinen harten Körper, der sich an sie drückte und das Versprechen, das von ihm für zukünftige Liebesnächte ausging.
    Bald ist es soweit, dachte Pauline. Nur noch sechs Monate, und ich liege mit Hugh im Bett. Dann werde ich endlich die Ekstase erleben, von der ich schon so lange träume …
    Die Uhr im Schlafzimmer schlug die volle Stunde, und Pauline wurde plötzlich bewußt, daß es bereits spät war. Frank mußte inzwischen von Melbourne zurück sein und Nachrichten haben, die für sie von größter Bedeutung waren. Hat er Erfolg gehabt? fragte sie sich.
    Pauline war fest entschlossen, ihre Hochzeit zu einem Fest zu machen, wie es der westliche Distrikt noch nicht erlebt hatte. Deshalb mußte Frank, dem die
Melbourne Times
gehörte, seinen Einfluß geltend machen und eine weltberühmte Opernsängerin dafür gewinnen, auf ihrer Hochzeit zu singen. Pauline wollte sich nicht mit einer australischen Sängerin begnügen. Mochte die Stimme auch noch so makellos sein, eine Sängerin aus der Kolonie würde die Hochzeit nur zu einem kolonialen Ereignis machen. Aber im Februar sollte die Royal Opera Company im Rahmen einer Tournee in Melbourne sein, und Dame Lydia Meacham, eine umjubelte englische Diva, die von Covent Garden bis Petersburg für ihre klare und bezaubernde Stimme bekannt war, würde auch dabeisein. Pauline hatte Frank wissen lassen, es sei ihr Traum, daß Dame Lydia auf ihrer Hochzeit singe.
    Frank konnte sich nicht so recht mit der Idee anfreunden. Außerdem hielt er nicht allzuviel von der Royal Opera Company. »Sie behandeln uns, als seien wir ein unerwünschtes Stiefkind«, erklärte Paulines Bruder immer verärgert, wenn die Opera Company zu einer Tournee in die australischen Kolonien aufbrach. »Sie erscheinen hier mit ihrem vornehmen Getue und ihrer hochgestochenen Art und benehmen sich, als würden sie uns eine große Gunst erweisen.«
    Aber das stimmt doch auch, dachte Pauline, denn schließlich sind die Kolonien nun einmal so weit von England entfernt …
    Sie erinnerte sich an ihre Erlebnisse und Gefühle vor vielen Jahren bei ihrem ersten Ball in England. Es war nahezu eine Katastrophe gewesen! Pauline war sich hoffnungslos altmodisch vorgekommen, und die anderen Mädchen an der London Academy hatten gestaunt, daß sie in Kleidern von vorgestern auf dem Ball erschien. Als sie ihre Verwirrung und Verlegenheit bemerkten, trösteten sie Pauline mit den Worten, es sei natürlich verständlich, denn sie komme schließlich von so weit her. Man hatte sie mit dieser herablassenden Nachsicht behandelt, die Pauline schließlich als unvermeidlich hinnahm, wenn jemand erfuhr, daß sie aus Australien kam. »Sie kommen eben aus den Kolonien«, sagten die Leute über die Geschwister, und man schien weder sie noch das Land, in dem sie lebten, ernst zu nehmen. Die jungen Mädchen wollten nicht absichtlich grausam sein. Sie brachten nur ganz offen ihre Geringschätzung für jemanden zum Ausdruck, der aus einem so fernen Land kam, aus Kolonien, mit denen sich die Engländer wenig beschäftigten – und wenn sie es taten, dann erschienen ihnen die Menschen von dort rückständig und provinziell.
    Damals hatte man Pauline zu ihrem gesellschaftlichen ›Debüt‹ nach London geschickt. Die Töchter der reichen Familien in den Kolonien schickte man zur Ausbildung immer ›nach Hause‹, und zu Hause war England. Paulines Mutter, die auf einer Farm in Neusüdwales aufgewachsen war, hatte in ihrem entsprechenden Alter die lange Reise nach England ebenfalls unternommen. Und Pauline wollte diese Tradition auch mit ihren Töchtern fortsetzen.

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