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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Warum läßt du dir vom Astronomischen Institut nicht die neuesten Wettervorhersagen geben und druckst sie in der Nachmittagsausgabe? Und du könntest Bildgeschichten bringen, damit die Leute morgens beim Tee etwas zu lachen haben, und einmal in der Woche einen Artikel über einen interessanten Einwohner von Melbourne. Außerdem solltest du jedes Jahr an Weihnachten irgendeinen Wettbewerb veranstalten und für die Sieger Preise aussetzen.« Frank hatte diese Ratschläge alle befolgt, und die Ergebnisse waren überwältigend. Die
Times
hatte inzwischen sechzehn Seiten und rühmte sich, das umfangreichste Tageblatt im ganzen Empire zu sein.
    Natürlich vergaßen die Politiker und Kandidaten für einflußreiche Ämter nicht, daß jeder wahlberechtigte Mann von Melbourne bis Wagga Wagga die
Times
las.
    Frank betrat sein Büro, setzte sich und stützte erschöpft den Kopf in die Hände. Er fühlte sich plötzlich sehr müde. Die Hinrichtung mußte ihm doch nahe gegangen sein – mehr als er gedacht hatte. Er wurde das Bild nicht los, wie Langtree mit den Beinen getreten und gestrampelt hatte … Frank blickte auf die Uhr. In einer Stunde sollte er den Bankpräsidenten treffen. Aber er wollte nicht zu diesem Essen. Er wollte Ivy sehen, sie in die Arme nehmen und sich daran erinnern, daß er noch lebte. Er wollte sich bei ihr vergewissern, daß er den Tod eines anderen Mannes und nicht den eigenen mit angesehen hatte.
    Dann dachte Frank wieder an den Bankpräsidenten, an die unverheiratete Tochter, die ihm der Mann unbedingt vorstellen wollte, und er wußte, wohin ihn die Pflicht rief. Er mußte eine Frau finden, die ihm eine Familie schenken konnte.
    2
    Ivy hatte Angst.
    Sie wußte, sie würde Frank verlieren. Es war nur eine Frage der Zeit.
    Als sie vor dem Spiegel stand und den Hut richtete, bevor sie ausging, wurde sie wieder einmal daran erinnert, daß sie sechsundvierzig Jahre alt war – in diesem Alter freuten sich viele Frauen bereits über ihre Enkelkinder. Und was konnte sie als Ergebnis ihres Lebens vorweisen? Ein Zimmer voller Bilder, die niemand wollte.
    Sechsundvierzig, dachte Ivy, und keinen Mann, keine Kinder, keine Familie. Sie ging durch die Straßen von Melbourne und sah überdeutlich die armen Frauen, die in dunklen Hauseingängen standen: ungewollte, verstoßene Frauen, die oft ohne eigenes Verschulden weder für sich selbst noch für die Gesellschaft von Nutzen waren. Sie bettelten, verkauften Obst, das sie gestohlen hatten, und boten den Männern ihre Körper als Bezahlung für eine Mahlzeit an. In Melbourne wimmelte es von ihnen, und obwohl Ivy seit sieben Jahren mit Frank zusammen war, steckte an ihrem Finger kein Ring, gab es keine Heiratsurkunde, die Frank an sie band. Ganz sicher würde er eines Tages beschließen, es sei Zeit, eine Familie zu gründen. Und ein reicher Mann wie Frank suchte sich bestimmt ein junges, ehrbares Mädchen als Ehefrau und Mutter für seine Erben.
    Ivy sagte sich, der Zeitpunkt sei gekommen, an dem sie anfangen mußte, an ihre Zukunft zu denken und Pläne für das Überleben zu machen. Aber das Problem war – wie?
    Wie, fragte sie sich, überlebt eine Frau ohne Einkommen und ohne einen Mann, der sie unterstützt, in einer so unmenschlichen Stadt wie Melbourne, wo zerlumpte Kinder in den Straßen betteln und feine Damen und Herren achtlos an ihnen vorübergehen? Wie kann sich eine alleinstehende Frau, deren Aussehen und Jugend dahinschwinden, eine Frau ohne besondere Bildung und ohne spezielle Kenntnisse ein sorgenfreies Alter sichern?
    Als Ivy sich diese Frage vor einigen Monaten zum ersten Mal gestellt hatte, beschloß sie, sich in Melbourne genau umzusehen, um ihre Möglichkeiten und Zukunftsaussichten zu überprüfen. Was sie erlebte, entmutigte sie nicht nur, sondern machte ihr Angst.
    Kein Mensch in der ganzen Stadt wollte sie einstellen.
    Die Gasthäuser suchten als Bedienung junge Frauen, in reichen Häusern wollte man ehrbare Gouvernanten und Kindermädchen, und Ivy war weder eine gute Köchin, noch hatte sie Referenzen vorzuweisen. Alle anderen Berufe wurden von Männern beherrscht.
    Wenn Ivy die Hoffnung verließ, dachte sie jedesmal an Frank, an den soliden, tröstlichen Frank, und sie sagte sich: Er wird nicht zulassen, daß mir dieses Schicksal droht. Doch an den langen Abenden, wenn die Stadt ruhig wurde und Ivy wach im Bett lag, lauschte sie auf das ängstliche Pochen ihres Herzens und spürte, wie die Panik sie erfaßte. Dann dachte sie: Ich kann

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