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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Mit seinen leuchtenden Farben wirkte es so lebendig, daß er das Gefühl hatte, den australischen Busch in den Händen zu halten.
    »Das ist ein Wunder!« erklärte er. »Es ist zehnmal besser als vorher. Es ist sogar besser als ein Gemälde!«
    »Glauben Sie, Sie können es verkaufen, Mr. Gernsheim?«
    »Verkaufen?! Das Bild ist weg, noch ehe der Tag vorbei ist! Sehen Sie doch nur, was Sie getan haben! Sie haben die wirklichen Farben einer Landschaft im Busch eingefangen! Es hat Stimmung! Sie haben sehr viel mehr erreicht, als meine Kamera jemals vermag!«
    Ivy war überglücklich, hielt sich jedoch zurück. »Ohne Ihre Fotografie hätte ich es nicht annähernd so gut machen können, Mr. Gernsheim. Vielleicht könnten wir bei anderen Aufnahmen zusammenarbeiten. Denken Sie darüber nach – Sie mit der Präzision und Genauigkeit Ihrer Kamera und ich mit meinem Auge für Farben …«
    »Mein Gott, Sie bringen mich auf eine Idee!« Er hob nachdenklich den Kopf und sah Ivy lange an. Und dann wußte er es: Plötzlich war sein vollgestopfter kleiner Laden mit dem Staub und dem Geruch der Chemikalien zu klein für seinen Ehrgeiz. In ganz Melbourne gab es keinen Fotografen, der Bilder anbieten konnte, die genau die Farben der Vorlagen hatten. »Besser als ein Gemälde!« rief er im Geist, und seine Gedanken überschlugen sich. Er sah die Werbung in seinem Schaufenster und in Zeitschriftenanzeigen: ›Wirklichkeitsgetreu und lebensecht!‹ ›Der Fotografie bei weitem überlegen!‹
    »Wären Sie bereit, mir das Bild wieder zu verkaufen?« fragte er. »Ich gebe Ihnen das Doppelte von dem, was Sie bezahlt haben. Und dabei mache ich immer noch Gewinn.«
    Ivy lachte. »Natürlich können Sie es zurück haben!«
    Er sah sie noch einmal lange und nachdenklich an. »Meine liebe Mrs. …?«
    »Dearborn«, sagte Ivy, »Miss Ivy Dearborn.«
    »Meine liebe Miss Dearborn. Würden Sie mir die Ehre erweisen und in meinem Atelier eine Tasse Tee mit mir trinken? Ich habe Ihnen einen Vorschlag zu machen.«
    Plötzlich sah Ivy in dem breit lächelnden Al Gernsheim ihr Schicksal und ihre Rettung. Sie schob ihre Hand durch seinen Arm. »Mit dem größten Vergnügen, Mr. Gernsheim.«
    3
    Noch ein trostloses Mittagessen, noch eine eifrige Mutter, die ihm ihre Tochter andrehen wollte. Diesmal hieß das Mädchen Lucinda Carmichael.
    Frank Downs wußte bereits genau, wie sie sein würde. Seit er eine Frau suchte, war er tausendmal demselben Typ begegnet. Üblicherweise waren diese Töchter der besseren Gesellschaft klein – die Mütter achteten sehr darauf, nicht den Fauxpas zu begehen, Frank allzu deutlich vor Augen zu führen, daß er nicht gerade der Größte war –, oder die gut vorbereitete Anwärterin zog die Schultern zusammen, um die Zentimeter, die sie ihn überragte, nicht so deutlich sichtbar werden zu lassen. Ihre Frisur war kokett, und sie trug ein sündhaft teures Kleid, das noch nach dem Modeatelier roch, von dem es stammte. Sie gab sich bescheiden und so zurückhaltend, daß sie Frank geradezu langweilte. Sie spielte amateurhaft Klavier und sang miserabel.
    Wenn Franks Freunde oder seine Schwester wieder einmal mit mehr oder weniger großem Nachdruck darauf hinwiesen, er lasse sich Zeit, erwiderte Frank ungerührt, er sei wählerisch, und da es sich um einen wichtigen Schritt handle, werde er sich nicht einfach für irgendein Mädchen entscheiden.
    »Guten Tag, Downs«, sagte Geoffrey Carmichael, als Frank das Wohnzimmer betrat. Das prächtige Haus der Carmichaels stand auf einem Hügel über dem Yarra River in einem Vorort von Melbourne, in dem nur die ganz Reichen lebten. Frank beabsichtigte, nach seiner Heirat ebenfalls ein solches Haus zu bauen, damit er und seine Frau sich die Zeit zwischen dem westlichen Distrikt und der Stadt teilen konnten.
    »Tag, Carmichael«, sagte Frank und schüttelte die Hand seines Gastgebers.
    Geoffrey Carmichael war ein robuster Mann in den Sechzigern. Er hatte sein erstes Vermögen als Goldgräber gemacht und sein zweites mit der Herstellung von Stiefeln und Sätteln. Nun war er dabei, ein drittes Vermögen zu machen – diesmal mit Silber. Das war auch der vorgeschobene Grund ihres Treffens. Er wollte sich bei Frank über Broken Hill, einen Ort in Neusüdwales, informieren. Frank war dorthin gefahren und hatte sich eine vielversprechende Silbermine angesehen. Er war gerade mit großen Plänen wieder zurückgekommen. Der eigentliche, unausgesprochene Grund für die Einladung war jedoch,

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