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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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sich immer wieder dem Zugriff der Polizei entzogen hatte, wurde im Pentridge-Gefängnis von Melbourne gehängt. Mit einer weißen Kapuze über dem Kopf zappelte und strampelte Langtree geschlagene vier Minuten am Seil, ehe der Tod eintrat. Das schaurige und schimpfliche Ende des Straßenräubers markiert das Ende der Gesetzlosigkeit in Australien.‹
    So begann Frank Downs’ Augenzeugenbericht von der berühmtesten Hinrichtung in den australischen Kolonien. Er schrieb fieberhaft und wie besessen, notierte sich alle Einzelheiten und ergänzte sie durch ein paar eigene Ausschmückungen: »Fünftausend Menschen hatten sich vor dem Gefängnis eingefunden und warteten auf die Todesnachricht. Darunter befanden sich auch viele Frauen, die um den verurteilten Gesetzesbrecher weinten.«
Age
und
Argus,
die Konkurrenz der
Times,
hatten Reporter geschickt, um über das sensationelle und einmalige Ereignis zu berichten, aber Frank fand, die Hinrichtung sei einen Artikel des Verlegers persönlich wert.
    »Das wär’s also«, sagte einer der Journalisten in der Gruppe von etwa dreißig Männern am Fuß des Galgens. »Ich bin jetzt für Steak und Nierenpastete bei Lucy. So eine Hinrichtung macht einem richtig Hunger und man braucht etwas Kräftiges!«
    Frank blickte auf die Uhr. Er hatte eine Verabredung zum Mittagessen mit dem Präsidenten der First Melbourne Bank. Aber bis dahin war noch etwas Zeit, genug Zeit, um den Artikel in die Redaktion zu bringen, damit er für die Nachmittagsausgabe in Druck ging.
    Es war eine gute Geschichte, und Frank glaubte, seine Zeitung werde sich besser verkaufen als die anderen, denn er hatte sich noch etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Sein Bericht sollte durch Ivys anschauliche und phantasievolle Bilder der Langtree-Bande und der berüchtigten Schießerei in Glenrowan ergänzt werden.
    Frank hatte Ivy seit zwei Wochen nicht mehr gesehen. Er wußte, sie würde ihn vermissen und sich einsam fühlen. Während er mit den anderen durch das Gefängnistor hinausging und dem Pförtner die Hand gab, beschloß Frank, Ivy an diesem Abend unter allen Umständen zu besuchen.
    Seine Zeit wurde nicht nur von der
Times
in Anspruch genommen, sondern auch von anderen Dingen. Eines Morgens war ihm beim Aufwachen ganz plötzlich klar geworden, daß er dreiundvierzig Jahre alt war. Das wiederum führte zu dem Gedanken, es sei an der Zeit, ernsthaft an die Zukunft zu denken – an die Zukunft von Lismore, die Zukunft der
Times
und die Zukunft des Namens Downs. Kurz und bündig: Es war Zeit zu heiraten und eine Familie zu gründen. Doch dieser Aufgabe stellte Frank sich nicht gerade mit großer Freude. Er war mit Ivy so glücklich gewesen und war es noch. Wenn es doch nur so weitergehen, wenn er sie heiraten könnte. Aber das stand außer Frage. Für Frank lag der einzige Sinn einer Ehe darin, Erben zu zeugen, und Ivy konnte keine Kinder bekommen.
    Seit Frank auf dezente Weise in seinen Kreisen hatte durchblicken lassen, daß er, nun ja, Ausschau nach einer geeigneten Kandidatin hielt, wurde er von Einladungen geradezu überschwemmt – ein Abendessen hier, ein Abendessen da, er ging zu diesem Ball und zu jenem, zum Gartenfest bei Soundso und Soundso. Er sah im Geist, wie sich die Neuigkeit gleich einem Buschfeuer in Melbourne verbreitete: Frank Downs sucht eine Frau! Anscheinend hatte jede Mutter mit einer heiratsfähigen Tochter inzwischen herausgefunden, daß ein geeigneter und erstrebenswerter Mann auf dem Heiratsmarkt aufgetaucht war. Das Werk der Buschtrommeln, sagte sich Frank und seufzte, wenn sein Diener wieder mit einem Stapel Einladungen auf dem Tablett erschien. Die Damen der besseren Gesellschaft flüsterten, tuschelten und konspierierten – alle Mütter in Melbourne, die mit ihrem scharfen Blick die teure Garderobe und das Bankkonto ihrer Ehemänner zu Recht verdienten, waren am Wirken.
    Und so erschien Frank auf den Festen, den Bällen, den Abendessen und Mittagessen. Es war ein endloser Reigen des Lächelns und der konventionellen Höflichkeiten mit schlechtem Whisky, reizlosen Töchtern und überfürsorglichen Müttern mit übergroßem Busen, die sich darum bemühten, den Besitzer der
Times
zum Schwiegersohn zu machen. Frank fand das ermüdend, und es gab Augenblicke, in denen er sich sagte, es lohne sich alles nicht. Doch dann stand er wieder vor dem neuen zehnstöckigen Redaktionsgebäude, sah in Gedanken den schönen Park von Lismore und die leeren Räume dort, in denen niemand lebte, und

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