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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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beschwerliche Tage
    Hart waren sie und die Herzen wund,
    Wenn wir auf den Weg uns machten ohne Klage,
    Der endete, wie wir wußten, in der Hölle Schlund!
    Die Stimme sprach vom endlosen Busch mit den Känguruhs, die in großen Sätzen über die sanft gewellten Hügel hüpfen, von den Schwarzen auf der Jagd, von Hütten aus Schößlingen und Rinde und von einem Mädchen namens Ruth, das in der Einsamkeit, im Niemandsland, begraben lag »mit einem schlafenden Kindchen im Arm«. Währenddessen gingen die Männer am Lagerfeuer ruhig ihren Beschäftigungen nach. Sie entrollten Decken, sattelten Pferde ab, zündeten Pfeifen und Zigaretten an. Die Stille und die Sterne umgaben sie »kalt und ehrlich und rein«. Sie bewegten sich wie Schatten, »spielten das alte Spiel, müde und gebeugt, hungrig und pleite, doch sie vertrauten darauf, daß die Nacht einen besseren Tag versprach, denn bessere Tage waren ihr Ziel«. Am Ende der Ballade erlosch das Feuer, und die Männer krochen »unter Decken, die alte Freunde waren«, und die letzten Worte verklangen: »Doch trotz all unserer Pein, dem Elend und der Not, wünschen wir, die alten harten Tage wären wieder unser täglich Brot.«
    Auf der Bühne wurde es dunkel, und das Theater schien einen Augenblick lang entrückt in Zeit und Raum zu schweben. Dann gingen die Lichter wieder an, und eine neue Szene blendete die Augen. Es war heller Tag. Aus dem Schornstein einer Hütte stiegen Rauchspiralen auf, und unter einem blauen Himmel schien sich ein goldenes Weizenfeld bis in endlose Fernen zu erstrecken. Im Hof neben der Hütte arbeitete eine Frau, und die Stimme sagte: »Und staunend denkt man an die schwere Arbeit, die die Hände einer Frau im Busch übernahmen …«
    Als die Ballade ›Hannahs Herz‹ endete, wechselte die häusliche Szene, und man sah eine flache rote Wüstenlandschaft. Im feurigen Sonnenuntergang glühte ein unheimlich anmutender roter Berg, und der unsichtbare Erzähler rezitierte die berühmten Verse von ›Der Traum: Für Joanna‹.
    Die Bilder auf der Bühne veränderten sich mit jedem Gedicht. Es waren die Landschaften und Küsten, die das Gesicht Australiens prägten. Die Zuschauer fanden in vielen Szenen etwas Vertrautes, das sie persönlich anzusprechen schien. Die meisten, die an diesem Abend, zwei Wochen vor Weihnachten, in der Melbourne Music Hall saßen, lebten zwar inzwischen in der Stadt, doch sie wurden an ihre Kindheit im Busch oder an Geschichten erinnert, die ihre Eltern ihnen erzählt hatten. Die Balladen sprachen zu ihren Herzen und berichteten voll Wehmut von einem Leben, das zum Untergang verurteilt war. Auf der Bühne funktelten die Sterne über der Wüste, der Kookaburra lachte, Ochsenpeitschen knallten und der Wind strich durch die Akazien.
    Joanna und Hugh sahen die Vorstellung von einer Loge aus. Sie hatten die zwölfjährige Lisa bei sich, die ein langes weißes Spitzenkleid trug und Blumen in den Haaren. Neben ihnen saßen Sarah in einem langen smaragdgrünen Abendkleid und der achtzehnjährige Adam im Frack. Frank und Ivy Downs teilten die Loge mit ihnen. Die Westbrooks waren zur Premiere von ›Lebendige Geschichten aus dem Busch‹ nach Melbourne gekommen. Es war eine anschauliche und phantasievolle Bühnenpräsentation der Balladensammlung, die vor drei Jahren unter dem Titel › GEDICHTE AUS DEM BUSCH ‹ erschienen war. Hugh hatte Ivy Downs um farbige Illustrationen für das Buch gebeten. Ihre Bilder zeigten die Kiefern der schneebedeckten Berge, »wo dunkelgrüner Eukalyptus die strahlend blaue Himmelskuppel streift« und die Wüste, so groß und klar, daß »ein Mann die Hand über die Augen legt und ins Morgen blickt«. Das Buch wurde in den australischen Kolonien zu einem so überwältigenden Erfolg, daß Hughs populärste Ballade ›Matilda‹ sogar zu einem Lied gemacht worden war. Es wurde in Schulen und Pubs, im Busch und an den Lagerfeuern gesungen. Die Gedichtsammlung war inzwischen im ganzen britischen Empire bekannt und beliebt, so daß die Menschen in dem großen Reich überall von dem Sträfling lasen, dessen »Sündenregister vor seiner Geburt geschrieben wurde« und der »Wanderschaft der verwegenen Scherer mit ihrem Leben in ungebundener Freiheit, die ein kurzer Weg zum Tod ist«.
    Die nächste Szene zeigte ein Fest auf dem Land. Scherer und junge Mädchen wirbelten in einer flotten Polka über die Bühne, während die Zuschauer den Takt klatschten. Man hörte den Sprecher kaum, der ›Feierabend‹

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