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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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fürchte, sie wird dafür bestraft werden. Wenn wir doch nur nach England zurückfahren könnten. Aber wie? Wir sind mitten in der Wüste, unendlich weit von der Küste und der Zivilisation entfernt. Und wir haben Land für eine Farm gekauft.
    Ich muß wissen, was die Frauen im Berg tun und Naomi davor beschützen.‹
    *
    Lisa sah voll Angst, wie der größere Dingo mit glühenden Augen auf sie zukam. Knopf knurrte. Er drückte sich an Lisa und schob sie rückwärts, weg von dem Dingo. Der kleinere Hund schlich im Halbkreis nach rechts. Knopf wandte den Kopf und knurrte ihn an. Sein Fell sträubte sich im Nacken, die Lippen über den weißen Fängen zogen sich ruckartig zurück.
    Die Dingos kamen näher.
    Knopf zeigte ebenfalls die Zähne und schob Lisa mit dem Hinterteil weiter zurück. Sie überlegte krampfhaft, was sie tun sollte. Sie hob schnell einen Stock und warf ihn nach den wilden Hunden.
    Er landete unbeachtet zwischen ihnen.
    »Verschwindet!« sagte sie. »Haut ab!«
    Die goldenen Augen blieben fest auf sie gerichtet. Sie sah gefletschte Mäuler, aus denen der Speichel tropfte.
    Als der größere plötzlich sprang, schnappte Knopf blitzschnell zu und schlug dem Dingo die Zähne ins Fell. Lisa schrie auf. Auch der kleinere Hund griff Knopf an. Er packte ihn am Schweif. Lisa sah entsetzt, wie die Dingos von zwei Seiten über den alten Hirtenhund herfielen. Fellfetzen flogen, und sie hörte lautes, drohendes Knurren. Blut floß. Knopf wurde ein Ohr abgerissen, dann klaffte eine tiefe Wunde in seiner Flanke. Die Dingos kämpften so, wie sie Känguruhs erlegten: einer am Kopf, der andere am Schwanz. Dadurch geriet ihre Beute in immer größere Panik, bis sie völlig hilflos war.
    »Hört auf!« schrie Lisa. Sie hob einen trockenen Ast auf und schwang ihn durch die Luft. »Weg!« schrie sie und schlug auf einen der wilden Hunde ein.
    Der größere Hund ließ Knopf los und griff Lisa an. Er sprang, sie wich zurück, und seine Kiefer schnappten in die Luft. Knopf stürzte sich sofort auf ihn, ohne den kleineren Hund zu beachten, der sich in seiner Flanke festgebissen hatte.
    Lisa ließ den Ast fallen und starrte auf den Hirtenhund, der blutbedeckt, mit tiefen Wunden und verklebtem Fell wie rasend kämpfte. Vermutlich war er durch seine Blindheit den tückischen Dingos noch mehr unterlegen. Das Knurren und Bellen klang immer bedrohlicher.
    Lisa preßte beide Hände auf die Ohren, machte kehrt und rannte davon.
    *
    Joanna saß lange regungslos am Schreibtisch und blickte auf die letzten Worte, die ihr Großvater geschrieben hatten. Eine Ahnung, ein dunkles, schweres Vorgefühl stieg in ihr auf, als sie an den jungen Engländer dachte, der fern der Welt und den Gesetzen, die er kannte, versuchte, die Wirklichkeit im Griff zu behalten. In seiner Hilflosigkeit glaubte er, seine Frau an Geheimnisse zu verlieren, die seinen Verstand überstiegen. Hatte sein Eingreifen den Gift-Gesang über ihre Familie gebracht? Hatte er ein heiliges Tabu verletzt, weil er als Mann verbotenerweise das Ritual der Frauen beobachtete? Oder gab es da noch etwas anderes? Was hatte die dreijährige Emily erlebt? In welchen schrecklichen Strudel der Ereignisse war sie geraten, als das Verbrechen ihres Vaters entdeckt wurde?
    Und was hatten die Frauen im Berg tatsächlich getan?
    Joanna hob den Kopf. Sie lauschte in die Nacht. Ihr fiel auf, daß der Wald plötzlich voll Leben war. Sie hörte Vögel schreien und krächzen, die normalerweise nachts schwiegen. Krähen stießen ihren Warnruf aus, und sie vernahm sogar das durchdringende Lachen eines Kookaburra. Irgend etwas stimmte nicht. Es war etwas geschehen.
    Lisa! dachte sie plötzlich.
    *
    Lisa rannte durch das Gehölz. Sie schob Zweige und Gestrüpp beiseite und hielt schützend die Hände vor das Gesicht. Ihr Herz klopfte wie rasend. Sie wußte, das Haus lag in der anderen Richtung, es lag hinter ihr. Aber hinter ihr waren auch die Dingos. Sie rannte blind durch die Dunkelheit, und in ihren Augen brannten die Tränen. Sie rannte voll Entsetzen und ohne einen klaren Gedanken weiter, immer weiter. Sie lief in ihrer Panik durch die Nacht, ohne darauf zu achten, wohin. Sie stürzte. Schnell stand sie wieder auf und rannte noch tiefer in den Wald.
    Schließlich blieb sie keuchend stehen und lauschte. Sie hörte keinen Laut in der Dunkelheit, es herrschte Stille. Selbst die Vögel waren plötzlich verstummt.
    Und dann hörte sie das leise Geräusch von Pfoten, die ohne anzuhalten durch das

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